Osteuropa-Workshop und Moldau: Mit oder ohne Transnistrien?

Der eingefrorene Konflikt um die abtrünnige und von Russland kontrollierte Region erschwert Moldaus Integrationsprozess in die EU.

Demonstranten schwenken Flaggen der Europäischen Union und der Republik Moldau.

Die EU-Mitgliedschaft ist für Moldau eine einzigartige Chance für Entwicklung, Stabilität und Lösung seiner territorialen Probleme Foto: Lalandrew/imago

CHIşINăU taz | Die Republik Moldau strebt eine EU-Mitgliedschaft bis 2030 an, nachdem die europäischen Staats- und Regierungschefs Ende vergangenen Jahres beschlossen haben, Beitrittsverhandlungen aufzunehmen. Aktuelle Meinungsumfragen in Moldau zeigen, dass bei einem Referendum über eine EU-Mitgliedschaft 56 Prozent dafür und 25 Prozent dagegen stimmen wollen. Der Rest ist unentschieden oder wird nicht teilnehmen.

Die Stimmung im Land ist günstig für eine europäische Integration, aber der Prozess wird zweifellos schwierig sein. Was ihn erheblich erschwert, ist die vom Kreml kontrollierte Region Transnistrien.

Die EU-Mitgliedschaft ist für Moldau eine einzigartige Chance sowohl für Entwicklung und Stabilität als auch zur Lösung seiner territorialen Probleme. Allerdings bleibt in dieser Gleichung das Schicksal Transnistriens entlang der Ostgrenze Moldaus zur Ukraine eine Herausforderung.

Diese Region umfasst etwa elf Prozent des Territoriums. International ist Transnistrien als Teil Moldaus anerkannt. 1992 hat Chișinău jedoch de facto die Kontrolle über dieses Gebiet verloren, nachdem die russische Armee in einen Konflikt zwischen moldauischen Truppen und dem Separatistenregime eingegriffen hatte. Diesen Krieg hatte Russland provoziert, um seinen Einfluss in Moldau aufrechtzuerhalten.

Im April 2024 hat die taz Panter Stiftung erneut zahlreiche Jour­na­lis­t:in­nen aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion zu einem Workshop nach Berlin eingeladen. Dabei entstandene Texte sind auf Sonderseiten der taz und auf taz.de am 26. April 2024 erschienen. Tigran Petrosyan, Leiter der Osteuropa-Projekte der taz Panter Stiftung, erklärt in einem Editorial die Idee hinter dem Workshop. Nika Musavi, Sona Martirosyan und Tatevik Khachatryan schreiben über den vergessenen Konflikt im Südkaukasus.Anastasia Simonova schreibt über die Hoffnung vieler Ukrai­ne­r:in­nen auf den EU-Beitritt. Irina Tabaranu schreibt über Moldaus schwierige Beziehungen zur EU. Tornike Mandaria schreibt über Georgiens langes Streben nach Europa.Alle Texte auch aus vorhergehenden Workshops finden Sie hier.

Tonnenweise Munition

Russland hat seine Truppen nie abgezogen, obwohl Moldau darauf besteht, dass sie zusammen mit Munition eines Depots aus der Sowjetzeit, das als das größte in ganz Osteuropa gilt, evakuiert werden.

Hochrangige EU-Vertreter haben versichert, dass der EU-Beitritt Moldaus nicht von der Beilegung des Transnistrienkonflikts abhängig sei. Deshalb haben die moldauischen Behörden dem Szenario eines EU-Beitritts des Landes in „zwei Schritten“ zugestimmt, sollte Transnistrien bis 2030 nicht wieder in den wirtschaftlichen und rechtlichen Raum Moldaus integriert werden können.

Wenn der territoriale Konflikt jedoch weiter ungelöst bleibt, sieht es für Moldau schlecht aus. Denn die europäische Gemeinschaft wird ihre Türen kaum für einen Staat öffnen, der nicht nur soziale und wirtschaftliche Probleme mitbringt, sondern auch ein trojanisches Pferd in Form von Soldaten eines Staates, der einen Krieg auf dem europäischen Kontinent begonnen hat. Die Rede ist hier von der Russischen Föderation.

Derzeit sind rund 1.700 Soldaten, die zwei russischen Militärkontingenten angehören, auf dem Territorium Moldaus stationiert. Eins davon, eine operative Einsatzgruppe, ist illegal. Das zweite Kontingent hat einen legalen Status, auch wenn Teile der moldauischen Gesellschaft dies vehement bestreiten: die sogenannten Friedenstruppen. Letztere gehen auf das Jahr 1992 zurück, nachdem ein Waffenstillstandsabkommen zwischen Moldau und Russland geschlossen worden war.

Eine Art Schwebezustand

Die Friedenstruppen verfügen über 15 stationäre Posten, die sich sowohl auf der von Chişinău kontrollierten Seite als auch auf der Seite befinden, die Moldau nicht kontrolliert. Gleichzeitig verläuft die Verwaltungslinie, die die Parteien trennt, nicht genau entlang des Flusses Dnjestr.

Selbst wenn man seiner Fantasie freien Lauf lässt, ist es schwierig, sich eine hypothetische EU-Grenze vorzustellen, die Transnistrien außen vor lässt. Das wäre eine Art Schwebezustand im Hinblick auf die Ukraine, die ebenfalls in die EU strebt. Ich möchte daran glauben, dass vor allem die strategischen Köpfe der Union daran arbeiten, diese Gleichung zu lösen. Sie enthält wirklich viele Unbekannte – einschließlich der Frage, wie Russland sich künftig verhalten wird.

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