Zeche Zollverein in Essen: Mächtig viel Kohle und Kultur

Einst war sie die größte Steinkohlezeche der Welt. Heute ist die Zeche Zollverein ein Gesamtkunstwerk und Ort der Begegnung für Anwohner und Tou­ris­ten.

Illustation des Werksschwimmbads in der Zeche Zollverein

Eintauchen in eine ehemalige Industrielandschaft Illustration: Jeong Hwa Min

ESSEN taz | Essen Hauptbahnhof: Ich schlängele mich vorbei an Schülern mit Basecaps und Chipstüten, an Menschen mit Kinderwagen, mit baumelnden Einkaufstaschen und Rollkoffern, die einander im Gemenge nur knapp verfehlen. Ich nehme die Rolltreppe runter zur „KulturLinie 107“ in Richtung Katernberg. Nach ein paar Stationen fährt die Bahn über Tage. Grau verputzte Einfamilienhäuser reihen sich hier etwas ratlos an den Straßenrand. Links liegt ein Friedhof und das Krankenhaus Stoppenberg, ein eindrucksvoller Rotklinkerbau. Seine historischen Wurzeln hat das Haus 1881: Die steigende Zahl der Unfallverletzten und Lungengeschädigten aus dem Bergbau machten eine Klinik notwendig.

Eiffelturm des Ruhrgebiets

Kurz darauf hält die Bahn an der Zeche Zollverein. Da ragt er auf, der markante rostrote Förderturm, auch „Eiffelturm des Ruhrgebiets“ genannt, 55 Meter hoch zwischen riesigen Hallen und Querbauten, das Symbol einer ganzen Region.

Die Zeche Zollverein, einst war sie die größte Steinkohlezeche der Welt, inzwischen ist sie mit ihren 100 Hektar Fläche ein Gesamtkunstwerk, seit 2001 Unesco-Welterbe. Verantwortlich für die komplett durchrationalisierte Schachtanlage im Bauhausstil waren die Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer.

Die Besonderheit

Seit 2001 gehört die Zeche Zollverein, ehemals größte Zeche der Welt, zum Unesco-Welterbe.

Die Zielgruppe

Architekturinteressierte, Schulklassen und Familien. Außerdem Rad­le­r*in­nen auf dem RuhrTalRadweg. Mit rund 1,5 Millionen Be­su­che­r*in­nen aus aller Welt ist die Zeche Zollverein nach dem Kölner Dom die am zweitstärksten besuchte kulturtouristische Sehenswürdigkeit in Nordrhein-Westfalen.

Hindernisse auf dem Weg

Die regulären Führungen durch die denkmalgeschützten Innenräume sind für Personen, die nicht gut zu Fuß sind, nur bedingt geeignet. Eine Teilnahme mit Gehhilfe oder Rollstuhl ist leider nicht möglich.

Mit dem Unternehmer Franz Haniel hatte alles begonnen: Ihm gelang es 1834 erstmals, die als undurchdringlich geltende „Mergelschicht“ der Steinkohle zu durchstoßen. 1847 gründete er die Zeche Zollverein, in der anschließend 139 Jahre lang Kohle abgebaut wurde. An die 8.500 Menschen haben hier gearbeitet. Unter, in manchmal 1.000 Meter Tiefe, und über Tage. Haben täglich bis zu 10.000 Tonnen Kohle aus der Erde geholt und für die Weiterverarbeitung vorbereitet.

All das lerne ich bei der Führung „Über Kohle und Kumpel“ mit Rolf. S., einem ehemaligen Bergbauarbeiter. Vom zollfreien Warentausch erfahre ich, von Ewigkeitslasten und von der gefährlichen Gas-Freisetzung beim Kohleabbau, weshalb die Versorgung mit „frische Wetter“ – unverbrauchter Luft – unter Tage so enorm wichtig war. Ich sehe Schrauben so groß wie Kindsköpfe, gehe durch riesige Hallen mit Eisenbahnschienen und einer ausgeklügelten Wipperanlage. Ein „fast geräuschloser Vorgang, können Sie sich ja vorstellen“, kommentiert Rolf S. trocken. Fahl fällt das Sonnenlicht durch die Fenster, während ein Soundschnipsel den Be­su­che­r*in­nen eine ungefähre Ahnung davon gibt, wie brüllend laut es hier zu Betriebszeiten war. Die Luft ist kalt. Es riecht nach Metall. Steile Stahltreppen führen wieder nach unten. „Gehen Sie immer weiter. Da sehen Sie meine Freundin, Sie können Sie nicht verfehlen“, ruft Rolf S. fröhlich. An einer Backsteinwand breitet eine Frauenstatue sanft ihre Arme aus: Es ist die „Heilige Barbara“, die Schutzpatronin der Bergleute.

Draußen folgt eine französische Schulklasse brav ihrem Tagesprogramm, zwischen zwei Hallen haben ein paar Spielfreudige einen Geschicklichkeitsparcours aufgebaut, während im Besucherzentrum Magnete mit „Komm mal bei mich bei“-Schriftzügen verkauft werden. Die Wolkendecke hat sich wieder zugezogen. Fast übermütig wirken die Magnolienblüten am Wegrand, die ihre zarten, violett-weißen Blätter ins kalte Frühjahr strecken.

Millionenschwere Sanierungsphasen

Als „strukturschwachen Norden“ bezeichnet man mittlerweile jene Stadtteile, die damals stetig um das Kohlebergwerk herum gewachsen waren. So lange, bis die Zeche am 23. Dezember 1986 geschlossen wurde. Arbeitsplatzverluste und soziale Probleme folgten. Eine Internationale Bauausstellung (1989/90), ein auf zehn Jahre (1989–1999) angelegtes Zukunftsprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen, millionenschwere Sanierungsphasen nach dem Prinzip „Erhalt durch Umnutzung“ und eine „Kulturhauptstadt Europa“ (2010) später ist die Zeche ein internationales Zentrum für Kultur und Kreativwirtschaft und ein Ort der Begegnung. Für Anwohner, Studierende und Tou­ris­t*in­nen aus aller Welt.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Man trifft sich etwa beim Klavier-Festival Ruhr im Salzlager der Kokerei, auf dem sommerlichen Zechenfest, im Werkschwimmbad, auf dem Stone Techno Festival oder an der Folkwang Universität der Künste. Es gibt Ausstellungen, Parkour-Trainings, zahlreiche Workshops, Design- und Street-Food-Märkte sowie ein Erzählcafé für Menschen aus dem Quartier.

Im Norden des Geländes, hinter der ehemaligen Kompressorenhalle – seit 1996 das „Casino“, eine begehrte Eventlocation – und noch hinter dem ehemaligen Kesselhaus – seit 1997 das von Norman Foster gestaltete Red Dot Design Museum – liegt das Kulturzentrum PACT Zollverein. PACT wie: Performing Arts Choreographisches Zen­trum NRW Tanzlandschaft Ruhr. Dass dort einst die Waschkaue war, die Umkleide und Dusche der Bergleute, davon erzählen die in die Wände eingelassenen Seifenschalen. In manchen liegt sogar noch ein Stück Seife.

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