Kommentar Wahlsieg FPÖ: Regierungsspitze mit Ablaufdatum

Auch ohne einen einzigen Flüchtling wäre die Wahl nicht anders ausgegangen: Die Regierungsspitze leistet schon zu lange jämmerliche Arbeit.

Manfred Haimbuchner (r) und Heinz-Christian Strache von der FPÖ umarmen sich

Die FPÖ-Spitze geht auf Schmusekurs angesichts der Wahlergebnisse Foto: dpa

Nach dem Wahlgang in Oberösterreich wird die politische Klasse mit den erwartbaren Ausreden daherkommen: Der Flüchtlingsstrom und die damit verbundene Angst der Wähler vor Chaos und zu vielen Ausländern hätten der FPÖ die Stimmen nur so zugetrieben. Dagegen hätten die konservative ÖVP und die Sozialdemokraten einfach keine Chancen gehabt, und die Grünen seien irgendwie einfach untergegangen.

Aber das ist natürlich Unsinn: Auch wenn kein einziger Flüchtling gekommen wäre, die Wahlen wären nicht sehr viel anders ausgegangen. Die oberösterreichischen Sozialdemokraten haben einen Fehler nach dem anderen gemacht und kommen seit Jahren nicht aus ihrem Tief. Auch der Absturz der ÖVP hat nur bedingt mit der „Flüchtlingskrise“ zu tun, nämlich insofern als das dilettantische Missmanagement der ÖVP-Innenministerin, die es schon im Sommer nicht schaffte, ein paar tausend Flüchtlinge ordentlich unterzubringen, den Absturz der Partei eingeläutet hat.

Die generelle Stimmung im Land ist angesichts der jämmerlichen Performance der Wiener Regierungsspitze den ehemaligen Großparteien ÖVP und SPÖ abträglich und begünstigt die rechtspopulistische Radauopposition FPÖ. Und die sogenannten Etablierten wirken nur mehr hilflos.

Dieser Trend wird sich aller Voraussicht nach bei den noch weitaus wichtigeren Wiener Landtagswahlen in zwei Wochen fortsetzen. Die Wiener SPÖ ist zwar noch eine Glanznummer verglichen mit der Bundesführung und den meisten anderen Länderparteien, aber dem allgemeinen Sog kann sie sich nicht völlig entziehen. Auch in Wien wird die FPÖ massiv hinzugewinnen, wenngleich Rot-Grün wohl die absolute Mehrheit knapp verteidigen wird.

Im Wesentlichen hängen die Wahlsiege der FPÖ mit dem Verdruss über die Etabliertenpolitik zusammen, mit sichtbar planlosen Eliten und der jammervollen Performance der Bundesregierung. Was immer man von Werner Faymann, dem Bundeskanzler, halten mag, ob man ihn für unfähig hält, wie das die meisten tun, oder für jemanden, der unfair unter seinem Wert geschlagen wird, wie ein paar Wohlmeinende meinen, oder für irgendetwas dazwischen: Es ist jedenfalls eher unwahrscheinlich, dass er die nächsten acht Wochen politisch überlebt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1966, lebt und arbeitet in Wien. Journalist, Sachbuchautor, Ausstellungskurator, Theatermacher, Universaldilettant. taz-Kolumnist am Wochenende ("Der rote Faden"), als loser Autor der taz schon irgendwie ein Urgestein. Schreibt seit 1992 immer wieder für das Blatt. Buchveröffentlichungen wie "Genial dagegen", "Marx für Eilige" usw. Jüngste Veröffentlichungen: "Liebe in Zeiten des Kapitalismus" (2018) und zuletzt "Herrschaft der Niedertracht" (2019). Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik 2009, Preis der John Maynard Keynes Gesellschaft für Wirtschaftspublizistik 2019.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.