Urteil gegen Militärdiktaturen: Plan Cóndor abgestürzt

Entführungen und Morde in ganz Lateinamerika gingen auf ihr Konto: Jetzt verurteilte ein Gericht in Argentinien Ex-Militärs aus mehreren Ländern.

Zwei ältere Frauen mit weißen Kopftüchern

Mütter von „Verschwundenen“ der Militärdiktatur warten auf das Urteil in Buenos Aires Foto: dpa

BUENOS AIRES taz | Für Argentiniens Justiz ist der Plan Cóndor offiziell ein Verbrechen. Mit dem Plan Cóndor koordinierten die Militärdiktaturen mehrerer Länder Südamerikas in den 1970er und 1980er Jahren die grenzüberschreitende Verfolgung von Regimegegnern.

Ein Bundesgericht in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires bewertete diese Zusammenarbeit am Freitag als Bildung einer kriminellen Vereinigung. Zugleich verurteilte es fünfzehn Angeklagte wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu hohen Gefängnisstrafen. Lediglich zwei Angeklagte wurden freigesprochen.

Dabei ging es Mord und Entführung von 45 uruguayischen, 22 chilenischen, 13 paraguayischen, 11 bolivianischen sowie 14 argentinischen Staatsangehörigen im Rahmen des Plan Cóndor. Spätestens seit November 1975 begann der Austausch geheimer Informationen unter den Machthaben der Region, die schließlich zu den gewaltsamen Verschleppungen von linken Regimegegnern führten, die in Nachbarstaaten geflohen waren. Es ist das erste Mal, dass in Lateinamerika zum Plan Cóndor ein Urteil gesprochen wurde.

Der einzige nicht-argentinische Angeklagte, der frühere uruguayische Offizier Manuel Cordero, wurde zu 25 Jahren Haft verurteilt. Cordero wurde unter anderem für das Verschwinden der Schwiegertochter des argentinischen Dichters Juan Gelman verantwortlich gemacht. Die damals neunzehnjährige, hochschwangere María Claudia García war am 24. August 1976 gemeinsam mit ihrem zwanzigjährigen Ehemann Marcelo Ariel Gelman, dem Sohn des Dichters, in Buenos Aires entführt worden.

Drei Jahre juristischer Aufarbeitung

Während Marcelo Ariel Gelman wenig später ermordet wurde, wurde María Claudia von uruguayischen Militärs nach Montevideo verschleppt. Ihr Kind wurde wenige Wochen nach der Geburt Anfang November 1976 geraubt und an ein kinderloses Ehepaar übergegeben. María Claudia ist bis heute verschwunden. Vier Jahre vor seinem Tod konnte Juan Gelman nach langer Suche im Frühjahr 2000 seine Enkelin Macarena in Montevideo ausfindig machen. Die am Freitag im Gerichtssaal anwesende Macarena Gelman zeigte sich mit dem Urteil sichtlich zufrieden.

Der Prozess hatte im März 2013 begonnen. Von den einst 22 Angeklagten saßen noch 17 auf der Anklagebank. Die anderen fünf waren während des Prozessverlaufs gestorben, darunter Argentiniens Ex-Diktator und erster Junta -Chef Jorge Rafael Videla. Unter den Verurteilten ist der letzte Juntachef der argentinischen Militärdiktatur (1976-1983), Reynaldo Benito Bignone. Der 88-jährige wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt.

Für den Prozess wurden Archive und Unterlagen aus mehreren Ländern sowie deklassifizierte Dokumente der US-Regierung herangezogen. Zusammen mit Zeugenaussagen konnte so die Bildung einer kriminellen Vereinigung durch die involvierten Staaten Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Paraguay und Uruguay mit Billigung der US-Regierung belegt werden. Treibende Kraft der Zusammenarbeit war das chilenische Militär um den Diktator Augusto Pinochet.

Sinkendes Medieninteresse

Menschenrechtler begrüßten denn auch das Urteil als einen weiteren Schritt in der strafrechtlichen Aufarbeitung der Menschenrechtsverbrechen. „Das wichtigste an dem Prozess ist, dass er die Landesgrenzen überschritten hat und so auch als ein Schlüsselprozess für eine universelle Justiz gelten kann,“ sagte Rechtsanwältin Luz Palmás Zaldúa von der argentinischen Menschenrechtsorganisation CELS, die als Klägerin auftrat.

Dass sich mit dem Amtsantritt des rechtskonservativen Präsidenten Mauricio Macri nicht nur das politische Klima in Argentinien sondern auch das Medieninteresse in Bezug auf die juristische Aufarbeitung der Diktaturvergangenheit gewandelt hat, wurde während der Urteilsverkündung deutlich. Statt wie bisher üblich bei solch wichtigen Prozessen, Liveberichte aus dem Verhandlungssaal und vor dem Gerichtsgebäude zu senden, beschränkten sich die TV-Nachrichtenkanäle auf kurze Beiträge und die großen Tageszeitungen auf knappe Berichte auf ihren Internetseiten. Von Regierungsseite gab es bisher keine Stellungnahme.

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