Trickserei in Bremer Sozialbehörde: Für eine Handvoll Taschengeld

Jugendliche Flüchtlinge behaupten, das Amt für soziale Dienste in Bremen locke sie mit Taschengeld, um sie in Wahrheit umzuverteilen.

Kinderhände halten Münzen

Mit Taschengeld gelockt: Behörde will jugendliche Flüchtlinge wie Erwachsene behandeln. Foto: dpa

BREMEN taz | Taschengeld oder Umverteilung? Das ist die Frage, die das Amt für soziale Dienste Bremen derzeit Geflüchteten mit ungeklärtem Status stellen soll. Laut Aussagen mehrerer Flüchtlinge aus der Gottlieb-Daimler-Straße übte das Amt bei Terminen Druck aus, verhängnisvolle Formulare zu unterschreiben. Für die Ausgabe von „wirtschaftlichen Hilfen“ sollten Fragen beantwortet und unterschrieben werden, die eine Umverteilung oder sogar die Abschiebung nach sich ziehen könnten.

Ein ähnliches, möglicherweise sogar das gleiche Formular, hatte bereits unter BewohnerInnen und SozialarbeiterInnen der Gottlieb-Daimler-Straße, einer Notunterkunft der Inneren Mission, für Aufruhr gesorgt. Der als „Anhörung“ bezeichnete knappe Fragebogen hatte für Empörung gesorgt, nachdem SozialarbeiterInnen sich geweigert hatten, ihn von Jugendlichen ausfüllen zu lassen. (taz berichtete)

Es geht dabei um Heranwachsende, die laut eigener Auskunft minderjährig sind. Die Stadt unterstellt ihnen jedoch, bereits über 18 zu sein. Letzteres bedeutete, dass es möglich wäre, sie auch wie Erwachsene zu behandeln: „Umverteilung“ und Abschiebung wären einfacher. Einige Betroffene in der Gottlieb-Daimler-Straße haben allerdings der Einstufung als Erwachsene widersprochen. Bei den meisten laufen die Widersprüche als Eilverfahren.

Anna Schroeder von der Flüchtlingsinitiative Bremen sagt dazu: „So lange will Bremen nicht abwarten. Die Stadt will vorher Tatsachen schaffen mit einer quasi-erschlichenen Unterschrift.“ Ihr zufolge seien deshalb mehrere Personen mit der Aussicht auf Taschengeld ins Amt für soziale Dienste vorgeladen worden.

Der Termin wurde Ihnen schriftlich von der Inneren Mission bekanntgegeben. In dem Schreiben, das der taz vorliegt, heißt es: „Es geht um die Gewährung von wirtschaftlichen Hilfen (Pocket Money/Taschengeld).“ Laut der Aussage mehrerer Betroffener sei ihnen bei dem Termin im Breitenweg jedoch das gleiche Formular vorgelegt worden, dass bereits in der Inneren Mission für Aufruhr sorgte. Abgefragt wurde demnach auch, ob man einen Asylantrag stellen wolle.

Ja oder nein? Eine Frage, die es angesichts eines laufenden Widerspruchverfahrens in sich hat: Wenn ein Antrag auf Duldung oder Asyl gestellt wird, ist das Widerspruchsverfahren obsolet, weil für minderjährige unbegleitete Flüchtling besondere Schutzbedürfnisse gelten, kein Asylantrag gestellt werden muss. Wenn „nein“ angekreuzt wird, ist die Person nach dem Aufenthaltsrecht illegal in Deutschland. Infolgedessen kann „umverteilt“ oder abgeschoben werden.

Laut Schroeder, die Flüchtlinge in Rechtsfragen berät, endete der Termin damit, dass eine Angestellte im Amt für soziale Dienste sagte: „Du musst hier unterschreiben oder du bekommst das Geld nicht.“ Begründung: Ohne Antrag auf Duldung oder Asyl sei man nicht zuständig.

Ein Betroffener habe daraufhin bereits unterschrieben, ein anderer habe es verweigert, auch weil eben ein falsches Geburtsdatum auf dem Formular stand. Schroeder fragt: „Warum macht das Amt für soziale Dienste eine aufenthaltsrechtliche Anhörung?“ Eigentlich fällt das in den Aufgabenbereich der Ausländerbehörde, die dem Innenressort unterstellt ist.

Laut Auskunft von Bernd Schneider, dem Sprecher der Sozialbehörde, gibt es ein solches Formular mit diesem Inhalt auch nicht. Auch in der Innenbehörde ist laut Sprecherin Rose Gerdts-Schiffler nichts zu der neuerlichen Ausgabe dieses oder eines ähnlichen Formulars bekannt. In einer Antwort auf eine Anfrage von Horst Wesemann, Deputierter der Linksfraktion, zu den aufenthaltsrechtlichen Fragebögen schreibt der Senator für Inneres, dass der Fragebogen von Februar 2016 nur bis zum September ausgegeben worden sei.

Das Verfahren, so die Antwort der Innenbehörde weiter, „fußt auf einer Absprache zwischen der Senatorin für Soziales, dem Stadtamt Bremen und der Inneren Mission als Träger der Notunterkunft“. Sie sollten „es den Betroffenen erleichtern, auf freiwilliger Basis Einwände gegen eine Verteilung anzubringen“. Auf dem ursprünglichem Formular, dass der taz vorliegt, war für „einen zwingenden Grund für einen Verbleib in Bremen“ eine 1,5 Zentimeter hohe Spalte Platz für die Antwort.

Zwingende Gründe gegen eine „Umverteilung“ wäre etwa eine psychiatrische Behandlung eines Betroffenen. Anna Schroeder sagte: „Ich hatte gerade gestern einen Klienten in der Beratung, der in psychiatrischer Behandlung ist und dieses Formular unterschrieben hat.“

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