Symposium von Tesla-Kritiker:innen: Auf dem Highway in die Teslokratie

Um Tech-Milliardäre zu hofieren, werfen Po­li­ti­ke­r:in­nen demokratische Grundsätze über Bord. Dabei braucht es gerade in der Wirtschaft Demokratie.

Elon Musk geht, umringt von Personenschützern

Tech-Milliardär mit Hang zum Autoritären: Elon Musk auf einen Besuch im Tesla-Werk in Grünheide Foto: Sebastian Gollnow

BERLIN taz | Für Tesla gelten in Brandenburg Sonderregeln, davon ist Sebastian Walter, der Fraktionsvorsitzende der Brandenburger Linken, überzeugt. „Jede Currywurstbude hätte schon dicht machen müssen, hätte sie nur annähernd so viele Rechtsverstöße begangen“. Fast fünf Jahre nach der Entscheidung Elon Musks, das erste europäische Teslawerk im brandenburgischen Grünheide zu errichten, ist die Liste an Verfehlungen des Elektroautobauers lang: Havarien, Arbeitsunfälle und immer wieder Verstöße gegen geltende Vorschriften. Konsequenzen gab es bislang kaum. Das systematische Wegschauen der Politik ist eine Gefahr für die Demokratie – diese Schlussfolgerung ziehen Aktivist:innen, Ex­per­t:in­nen und Po­li­ti­ke­r:in­nen auf dem Symposium „Teslokratie“, das am Mittwochabend in der Berliner Volksbühne stattfand.

Das Hauptproblem sei, erklärt Walter, dass die brandenburgische Landesregierung aus SPD, CDU und Grünen der Standortpolitik alles andere unterordne. Für Brandenburger Verhältnisse bezahle Tesla die 12.000 Mit­ar­bei­te­r:in­nen überdurchschnittlich, das Unternehmen ist für einen Großteil des starken Wirtschaftswachstums verantwortlich. Aus Angst, den wankelmütigen Tesla-Chef zu verprellen, drückt die Landesregierung schon mal ein, oder auch alle Augen zu. „Die Landesregierung lässt sich massiv erpressen, glaubt aber, dass Elon Musk ein Kumpel von ihnen ist“, sagt Walter.

Der Linkenpolitiker spielt auf das Verhalten des SPD-Ministerpräsidenten Dietmar Woidke an, der Elon Musk im März vergangen Jahres in einem persönlichen Brief vollste Unterstützung zusicherte, eine Lösung für die Wasserprobleme zu finden. Auch Wirtschaftsminister Jörg Steinbach hält wenig von Distanz und postete fast zeitgleich ein Foto von sich im Tesla-Shirt beim „Besuch bei Freunden“ im texanischen Werk des Elektroautobauers.

Unterwürfige Landespolitik

Dass sich Tesla weiterhin auf die politische Rückendeckung aus Potsdam verlassen kann, zeigen die aktuellen Entwicklungen in Grünheide. Am Mittwoch gab der zuständige Wasserverband Strausberg Erkner (WSE) bekannt, dass er die Grenzwertüberschreitungen bei Phosphor und Stickstoff in den Tesla-Abwässern noch bis Juli tolerieren wird, bis der Verband eine Entscheidung trifft.

Seit zwei Jahren leitet das Werk mehr Schadstoffe ein als verträglich vereinbart. Da jeglicher Protest erfolglos war, drohte der Verband im Februar damit, die Abwasserentsorgung komplett einzustellen. Die endgültige Entscheidung vertagte der Verband bereits ein erstes Mal im Februar, vermutlich auf politischen Druck. Der damalige Vorsitzende der Verbandsversammlung Henryk Pilz trat daraufhin zurück mit den Worten „Die Lobbyisten haben gewonnen“.

Bemühungen, die Schadstoffeinleitungen zu reduzieren, machte Tesla bislang nicht. Stattdessen präsentierte man der Verbandsversammlung ein Gegengutachten, in dem die Sinnhaftigkeit der WSE-Grenzwerte in Zweifel gezogen wurde, wie der Stern am Dienstag berichtete.

Dass Tesla-Chef Elon Musk kein Freund von demokratischen Entscheidungen ist, zeigt sich auch im Umgang mit dem Ergebnis der Ein­woh­ne­r:in­nen­be­fra­gung im Februar. Dort stimmten über 60 Prozent der Grün­hei­de­r:in­nen gegen eine Werkserweiterung, für die noch einmal 100 Hektar Wald gerodet werden müssten. Anstatt das Votum zu akzeptieren, hofft Tesla nun mit einem geänderten Bebauungsplan die geplante Erweiterung realisieren zu können. Demnach sollen nur noch 50 Hektar gerodet werden, aber weiterhin die ganze Fläche vom Land an Tesla verkauft werden.

Expansion trotz Massenentlassungen

„Das ist wieder so eine Trickserei“, kritisiert Anwohner Heiko Baschin auf dem Podium, der sich in der lokalen Bürgerinitiative gegen Tesla engagiert. „Wenn das Land verkauft, kann Tesla den Wald später immer noch in ein Industriegebiet umwandeln.“ Tesla argumentiert, dass nur durch die Erweiterung ein Güterbahnhof gebaut werden könne – und somit der belastende Lkw-Verkehr vermieden.

Verschweigen würde das Unternehmen, so Baschin, dass es bereits seit 2020 einen gültigen Bebauungsplan für einen Güterbahnhof auf dem bestehenden Fabrikgelände gäbe.

Teslas Expansionspläne wirken bizarr vor dem Hintergrund, dass das Unternehmen weltweit 10 Prozent seiner Ar­bei­te­r:in­nen entlassen will. Auch in Grünheide entlässt das Unternehmen 300 Leiharbeiter:innen, wie es am Donnerstag bekannt gab.

Schon länger hat das Unternehmen Probleme, genügend seiner Elektroautos abzusetzen. Linkenpolitiker Sebastian Walter vermutet, die Erweiterung habe vor allem das Ziel, den zuletzt eingebrochenen Börsenwert des Unternehmens zu steigern.

Musk kuschelt mit Faschisten

Unbehagen bereitet den Symposium-Teilnehmer:innen auch die Person Elon Musk. Der chattet schon mal auf seiner im letzten Jahr gekauften Kurznachrichtenplattform X mit dem AfD-Faschisten Björn Höcke oder verbreitet rechtsextremistische Verschwörungstheorien. „Die Antwort, die Tech-Milliardäre wie Musk auf globale Probleme haben, ist nicht Demokratie“, warnt Digital-Expertin Cathy Mulligan. Stattdessen stilisieren sie sich selbst als Heilsbringer, die mit technischen Lösungen die Welt retten. Das Elektroauto als Scheinlösung für die Klimakrise sei dabei das prominenteste Beispiel, stimmt auch der kanadische Tech-Journalist Paris Marx zu.

Statt Tesla bedingungslose Unterstützung zuzusagen, sollte die Politik dem Unternehmen harte Vorgaben machen, fordert die Journalistin und Tesla-Expertin Nina Scholz auf dem Podium. So sollte das Land einen geltenden Tarifvertrag, Arbeitsschutz oder die Einhaltung strenger Umweltauflagen zur Bedingung für die Standortansiedlung machen. „Tesla hält sich an keine demokratischen Spielregeln“, sagt Scholz.

Einen weiteren Weg, Tesla und andere Unternehmen in die Schranken zu weisen, sieht Sebastian Walter in einer Demokratisierung der Wirtschaft. Dies könne durch Gewerkschaften, Betriebsräte oder auch staatliche Beteiligung geschehen. Aber auch radikalere Mittel sind für Walter denkbar: „Wenn ein Unternehmen 500 Milliarden wert ist, ist es einfach zu mächtig. Tesla müsste zerschlagen und vergesellschaftet werden.“

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