Straffällige Afghanen sollen gehen: Abschiebungen spalten Rot und Grün

Seit Wochen sucht die Rot-Grün in Hamburg nach einer Haltung zur Abschiebung afghanischer Flüchtlinge. Jetzt scheint ein Kompromiss in Sicht.

Menschen demonstrieren gegen Abschiebungen nach Afghanistan

Eine Demo gegen Abschiebungen nach Afghanistan in Hamburg Anfang Januar Foto: dpa

HAMBURG taz | Der Streit geht durch beide Parteien – SPD und Grüne. Bei der Frage „Wie halten wir es mit Abschiebungen nach Afghanistan?“ sind sich die Hamburger Koalitionäre nicht nur untereinander uneinig, sondern auch jeweils intern. Hinter den Kulissen hat es gewaltig gekracht.

„Wir haben intern so heftig gestritten wie lange nicht mehr“, sagt ein führender Hamburger Sozialdemokrat. Befeuert wurde der interne Zwist dadurch, dass sich Hamburgs Innenbehörde im vorigen Monat an einer bundesweiten Sammelabschiebung abgelehnter afghanischer Asylbewerber beteiligt hatte, ohne die SPD-Bürgerschaftsfraktion davon vorab zu informieren. Sieben der 34 Flüchtlinge, die nach Kabul zurückgeflogen wurden, kamen aus Hamburg.

Kurz darauf publizierte das UN-Flüchtlingshilfswerk ­UNHCR einen Bericht, nach dem das gesamte Staatsgebiet Afghanistans von einem „innerstaatlichen Konflikt“ überzogen ist und es keine sicheren Schutzzonen mehr gibt. Die Sicherheitslage, so die Analyse, habe sich in den vergangenen Monaten deutlich verschlechtert.

Trotzdem setzt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verstärkt auf „Rückführungen“ abgelehnter Asylbewerber. Und Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) betont, er habe kaum Handlungsspielräume, müsse „die Vorgaben aus Berlin umsetzen“. Ganz anders sieht das sein Parteifreund und Amtskollege, der schleswig-holsteinische Innenminister Stefan Studt (SPD).

Der grüne Landesvorstand geißelte die Senatskollegen

Studt hatte vergangene Woche angekündigt, er erwäge „den Erlass eines vorläufigen Abschiebungsstopps“. „Grote ist die komplette Antithese zu Studt“, ärgert sich eine grüne Parteifunktionärin über den Hamburger Innensenator.

Dabei haben die Grünen genug vor der eigenen Haustür zu kehren. Ende vergangenen Jahres teilte die grüne Kultursenatorin und Vizebürgermeisterin Katharina Fegebank gegen den eigenen Landesvorstand kräftig aus. Der habe sie und ihre grünen Senatskollegen „hintergangen“ – mit einem so verbal kraftvollen wie parteiintern unabgestimmten Beschluss, in dem ein genereller Abschiebestopp nach Afghanistan gefordert wird.

Die Position der Grünen ist: so wenig Abschiebungen wie möglich, so viele aber wie für den Koalitionsfrieden nötig

Die „Sammelrückführung“ nach Kabul geißelte der grüne Landesvorstand als „schlimmen Populismus“, an dem sich im Gegensatz zu Hamburg „andere grün mitregierte Landesregierungen nicht beteiligt“ hätten. Eine interne Schelte, die nicht nur Fegebank als „taktisches Foul“ des Parteigremiums empfunden habe, wie es hinter vorgehaltener Hand heißt.

Minderjährige und Familien sollen Bleiberecht erhalten

Doch inzwischen haben sich die Streithähne auf allen Seiten beruhigt, eine Hamburger Linie deutet sich an. Am Montag diskutierte die SPD-Bürgerschaftsfraktion über zwei Stunden das „Afghanistan-Problem“. Am Ende einigten sich die Abgeordneten darauf, sich der aus Berlin verordneten Abschiebepraxis zu beugen, aber nur straffällig gewordene Flüchtlinge und alleinstehende junge Männer, deren Asylantrag abgelehnt wurde, abzuschieben.

Minderjährige Flüchtlinge und afghanische Familien sollen ebenso ein faktisches Bleiberecht erhalten wie männliche Schutzsuchende, die schon mehrere Jahre in der Bundesrepublik leben. Sie sollen ein mindestens einjähriges Aufent­haltsrecht bekommen, das sich verlängert, wenn sie an Inte­grationsmaßnahmen aktiv teilnehmen.

Den Kompromiss dürften auch die Grünen mittragen können. Deren Position lautet zugespitzt: so wenig Abschiebungen wie möglich, aber so viele wie für den Koalitionsfrieden nötig. Die Abschiebung von Straftätern haben sie längst akzeptiert, in allen anderen Punkten zeigen sie sich gesprächsbereit.

Während Hamburgs Koalitionäre nach erbittertem internen Streit nun auf Kuschelkurs gehen, hat sich Studt eine blutige Nase geholt: Auch Schleswig-Holstein habe die bundesweiten Abschieberichtlinien umzusetzen, kommentierte das Bundesinnenministerium den Vorstoß von Studt unnachgiebig. Einen Stopp der Rückführungen nach Afghanistan könne die Landesregierung höchstens für drei Monate verfügen. Danach müsse sich auch Kiel an den Abschiebungen in das Konfliktgebiet beteiligen.

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