St. Pauli zurück in der Bundesliga: Auf geht’s, Genossen!

Der Aufstieg des FC St. Pauli in die Erste Liga war absehbar – und kommt genau zum richtigen Zeitpunkt.

Ein Mann in einer Menge von Fußballfans wischt sich eine Träne aus dem Auge.

Tränen der Rührung: St. Paulis Kapitän Jackson Irvine ist überwältigt vom Aufstieg Foto: Axel Heimken/dpa

HAMBURG taz | Eine Überraschung war es nun wirklich nicht mehr, als der FC St. Pauli mit einem 3:1-Heimsieg gegen den Absteiger VfL Osnabrück den Aufstieg in die Erste Fußball-Bundesliga geschafft hatte. Zu lange haben die Hamburger dafür die Liga dominiert, mit ihrem zeitweilig fast schlafwandlerisch sicheren Kombinationsfußball, der immer wieder verdammt nach Erster Liga aussah.

Nur das eigentliche Überraschungsteam, der jetzige Mitaufsteiger Holstein Kiel, machte ihnen gelegentlich die Tabellenführung streitig.

Über die Saison hinaus betrachtet, kommt der Erfolg kein bisschen überraschend. Zweimal hatte man zuletzt am Aufstieg geschnuppert, die Saison nach einer schwachen und einer überragenden Halbserie jeweils auf Platz fünf beendet. Und das von Sportchef Andreas Bornemann klug zusammengestellte Team trotz prominenter, aber einträglicher Abgänge behutsam weiterentwickelt.

Dazu hat beigetragen, dass der Club zu einer ganz eigenen Form der Kontinuität auf dem Trainerposten gefunden hat: Als er sich wegen einer Ergebniskrise vom bei den Fans beliebten langjährigen St. Paulia­ner Timo Schultz trennte, beförderte er dessen damals erst 29-jährigen Assistenten Fabian Hürzeler an die Spitze. Der kannte das Team, „musste eigentlich nur noch Kleinigkeiten ändern“, wie er direkt nach dem Aufstieg mit einem Dank an den alten Chef sagte.

Unbekanntes Niveau

Diese bescheidenen Worte können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hürzeler ein personell kaum verändertes Team spielerisch auf ein neues, bis dato auf St. Pauli ungekanntes Niveau gehoben hat. Dass er darum weiß und auch um das Interesse, das er damit bei wirtschaftlich potenteren Clubs geweckt hat, wurde deutlich, als er den Verein im Winter mitten im Aufstiegskampf wochenlang mit der Vertragsverlängerung zappeln ließ. Der ehrgeizige Jungtrainer wollte unbedingt in die Bundesliga. Dass das nun mit St. Pauli gelungen ist, hing zwischenzeitlich am seidenen Faden.

Klar ist: St. Pauli wird auch künftig finanziell nicht mit den investorengetriebenen Schwergewichten der Bundesliga mithalten können. Der Club hat bisher Gehälter im Mittelfeld der Zweiten Liga gezahlt und wird in der Ersten eher am unteren Ende der Geldtabelle rangieren. Insofern ist der Aufstieg ein kleines Wunder, ein mittelfristiger Verbleib in der Ersten Liga wäre sogar ein großes.

Der Club hat unter Präsident Oke Göttlich eine lange Konsolidierungsphase hinter sich. Die Marketingrechte wurden zurückgekauft, ein modernes Stadion hingestellt, als Nächstes soll das Trainingszentrum neu gebaut werden. Nach Jahren ausgeglichener oder positiver Bilanzen wies der FC St. Pauli im vergangenen Geschäftsjahr wieder einen Millionenverlust aus. Da kommt der Aufstieg gerade rechtzeitig, denn die Kostenstruktur im Zweitligabetrieb im nötigen Umfang zurückzufahren wäre wohl eine große Heraus­forderung gewesen.

Und jetzt alle

Vor allem kommt der Aufstieg aber pünktlich zum nächsten großen Projekt: Als Alternative zu Investorengeld will der etwas andere Club voraussichtlich noch in diesem Jahr eine Genossenschaft gründen, die wesentliche Teile der Infrastruktur tragen soll.

Statt Rendite soll dabei die Freude darüber im Vordergrund stehen, den Hamburger Fußball besonders zu machen. Deutlicher kann man nicht an die Seele der St.-Pauli-Fans appellieren, sogar weit über Hamburg hinaus.

Sympathisanten in ganz Deutschland oder sogar Europa könnten mit einem Anteilskauf zeigen: Ein anderer Fußball ist möglich.

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Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück

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