Rauschmittel im alten Rom: Ein hohler Knochen als Pillendose

Ein Knochenfund zeigt, dass schwarzes Bilsenkraut im antiken Rom bewusst gesammelt wurde. Zum Einsatz kam es möglicherweise als Rauschmittel.

Foto eines archäologischen Fundes.

Ausgehöhlter Tierknochen mit Samen des Bilsenkrauts Foto: BIAX Consult/FU Berlin

Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass es Drogen fast so lange gibt, wie Menschen existieren. Schwarzes Bilsenkraut etwa wurde schon vor Tausenden Jahren als Medizin und Rauschmittel genutzt. Nun hat ein Team um Maaike Groot von der Freien Universität Berlin entdeckt, dass ein Knochengefäß aus römischer Zeit offenbar ein Vorläufer der Tabaktasche war. Oder ein Vorläufer der Medikamentendose.

Die Studie

Das Kraut gehört zur Familie der Nachtschattengewächse. Antike Autoren berichten von einer schmerzstillenden und berauschenden Wirkung. Falsch dosiert ist es giftig. An vielen Ausgrabungsstätten finden sich Spuren des Krauts. Bisher war schwer nachzuweisen, ob die Menschen es tatsächlich benutzten. Das Kraut wächst in Nordwesteuropa auch in der freien Natur. Samen könnten von den Siedlern also versehentlich zusammen mit anderen Pflanzen gelagert worden sein.

Ein Fund in der Ausgrabungsstätte Houten Castellum – einer bäuerlichen Siedlung aus römischer Zeit in den heutigen Niederlanden – schafft Klarheit. Es handelt sich um einen etwa sieben Zentimeter langen Oberschenkelknochen eines Schafs oder einer Ziege mit einem Pfropfen aus Birkenpech am Ende. Der Knochen wurde 2017 gefunden und auf 70 bis 100 nach Christus datiert.

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Als die Archäolog_innen den Knochen bei Untersuchungen reinigten, löste sich der Verschluss und Samen des Schwarzen Bilsenkrauts kamen zum Vorschein. 382 Samen konnten noch gezählt werden.

Das Forschungsteam geht im Gegensatz zu früheren Forschenden davon aus, dass es sich bei dem Knochen um eine Art Behälter zur Aufbewahrung und nicht um eine Pfeife handelt, in der das Kraut geraucht wurde. Dafür spricht unter anderem, dass die Samen nicht verkohlt sind und dass es tödlich gewesen wäre, so viele Samen auf einmal zu rauchen.

Was bringt’s?

Bisher gab es erst vier archäologische Funde, die auf die absichtliche Nutzung von Schwarzem Bilsenkraut hindeuten: drei in mittelalterlichen Hospitälern, eins in einer Grabstätte. Nur im letzten Fall, einem Fund in Dänemark aus dem Jahr 980 nach Christus, befanden sich die Samen vermutlich in einem Behälter. Mit dem Knochen aus dieser Studie wurde zum ersten Mal ein Gefäß aus der Römerzeit gefunden, das mit Schwarzem Bilsenkraut gefüllt war.

Offen bleibt aber weiterhin, ob die Pflanze in diesem Fall als Medizin oder als Rauschmittel verwendet wurde. Dass die Menschen Rauschmittel seit der Antike und sogar schon in der Steinzeit verwendet haben, ist aber schon länger bekannt. Insofern erinnert die Studie daran, dass Drogen zur Menschheitsgeschichte gehören.

Wenn in diesen Tagen also zum Beispiel hitzig darüber debattiert wird, ob kiffende Menschen auf dem Oktoberfest den Untergang des Abendlandes bedeuten, dann kann man das getrost eine alte Diskussion ­nennen.

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