Polizeigewalt in Georgien: Grüße vom Kreml

Georgiens Opposition wünscht sich den EU-Beitritt. Das neue Gesetz gegen NGOs könnte erschwerend wirken. Auch deshalb wird protestiert.

Eine Demonstrantin in Tiflis hält die EU-Flagge vor sich

Massives Polizeiaufgebot während eines Protestes der Opposition gegen das „russische Gesetz“ am 1. Mai Foto: Zurab Tsertsvadze/ap

Die Bilder von den aktuellen Massenprotesten in der georgischen Hauptstadt Tbilissi lassen erschaudern: Zigtausende Demonstrant*innen, die nicht müde werden, sich vor dem Parlamentsgebäude mit der Macht der Verzweiflung der Regierung entgegenzustellen. Sie sind fest entschlossen, die Verabschiedung des „Gesetzes über ausländische Agenten“ im Stile Russlands zu verhindern – wohl wissend, dass dies wohl der Anfang vom Ende der georgischen Zivilgesellschaft wäre.

Und nicht nur das: Sollte diese neue Regelung tatsächlich in Kraft treten, könnte auch die Perspektive einer europäischen Zukunft für die Südkaukasusrepublik endgültig dahin sein. Die Polizei reagiert, wie sie es seit dem Machtantritt der Partei Georgischer Traum (KO) 2012 routinemäßig tut: Mit äußerster Brutalität. Tränengas, Gummigeschosse, Wasserwerfer – das ganze Programm. Dass dabei immer wieder auch Ver­tre­te­r*in­nen von Oppositionsparteien Ziel schwerster Übergriffe werden, hat Methode – Moskau lässt grüßen.

Die ideologische Präsenz des Kremls zeigte sich auch bei einer regierungsfreundlichen Kundgebung und dem Auftritt des großen „Ehrenvorsitzenden“ der KO, Bidzina Iwanischwili. In Wahrheit bestimmt er die Regierungspolitik des Landes. Tausende wurden aus der Provinz mit Bussen nach Tbilissi gekarrt und waren dazu verdonnert, Iwanischwili zu huldigen.

Seine Rede war russische Propaganda reinsten Wassers: Der wahre Schuldige an dem Krieg zwischen Russland und Georgien 2008 sowie Moskaus Feldzug gegen die Ukraine seit 2022 sei die „Partei eines globalen Krieges“ – ein Synonym für den kollektiven Westen. Diesen gelte es zu bekämpfen. Die Frage ist, wer die Machtprobe länger durchhält.

Sollte die KO dieses unsägliche Gesetz durchdrücken, wäre die EU, die Georgien im Dezember 2023 den Kandidatenstatus verliehen hat, am Zug. Doch jeder Entscheidung Brüssels muss eine Überlegung zugrunde liegen: Nicht diejenigen bestrafen, die jetzt für Europa auf die Straßen gehen.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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