Polizeieinsatz am 1. Mai: Mit Großaufgebot gegen „Kribbeln“

In den Vorjahren blieb es ruhig, trotzdem werden am 1. Mai wieder tausende Po­li­zis­t*in­nen eingesetzt. Zur Taktik gehören Flutlichter – und die Müllabfuhr.

Demonstration mit rotem Front-Banner "Brot, Frieden, Sozialismus". Davor behelmte und vermummte Polizisten

„Niedrige Einschreitschwelle“: Polizisten bei der Revolutionären 1.-Mai-Demo 2023 auf dem Kottbusser Damm Foto: Michael Kappeler/dpa

BERLIN taz | Es ist eine von vielen Traditionen zum 1. Mai in Berlin: Jahr für Jahr beschwören Polizei und Innensenatorin im Vorfeld eine bedrohliche Krawallkulisse herauf und rechtfertigen damit ein Großaufgebot an Polizist*innen, das rund um den Feiertag im Einsatz sein wird.

Bleibt der große Knall dann trotz aller Schwarzseherei aus, gehört zu den Gepflogenheiten auch das Selbstlob in den Tagen danach. 2022 etwa bejubelte die Polizei den „friedlichsten 1. Mai seit Jahrzehnten“. 2023 hieß es dann, der Tag der Arbeit sei sogar „nochmals friedlicher“ als im Vorjahr gewesen, nun sprach ein Polizeisprecher vom „friedlichsten 1. Mai seit 1987“.

Angesichts dieser Bilanzen voller Superlative könnte man meinen, die Polizei rüste irgendwann mal ab. Doch danach sieht es auch in diesem Jahr nicht aus. Wie in den Jahren zuvor werden am 1. Mai rund 5.500 Berliner Po­li­zis­t*in­nen eingesetzt, kündigte Einsatzleiter Stephan Katte am Montag an. Hinzu kommen noch einmal etwa 2.500 Po­li­zis­t*in­nen aus anderen Bundesländern sowie weitere von der Bundespolizei.

Palästina mobilisiert die Szene – und die RAF?

Katte räumte zwar ein, das „Aggressionspotenzial“ insbesondere der Revolutionären 1.-Mai-Demo habe über die Zeit „deutlich abgenommen“. Jedoch gebe es im Gegensatz zu den vergangenen Jahren eine „kribbelnde Grundstimmung“ in Berlin, die mit dem Nahost-Konflikt zusammenhänge.

Er befürchte eine „Emotionalisierung“ in der palästinasolidarischen Szene infolge der Auflösung des Palästina-Kongresses und der Räumung des Palästina-Camps vor dem Bundestag vergangenen Freitag. Im Vorfeld seien 30 sogenannte Gefährderansprachen durchgeführt worden. Außerdem wisse man nicht, mutmaßte Katte, wie die linke Szene auf die Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette im Februar reagiere.

„Niedrige Einschreitschwelle“

Stephan Katte, der die Polizeidirektion Einsatz/Verkehr leitet, versicherte, die Revolutionäre 1.-Mai-Demo werde genauso behandelt wie jede andere angemeldete Versammlung auch. Dennoch sei die Polizei vorbereitet und stelle wie auch in den Vorjahren an neuralgischen Punkten Flutlichter auf. Zudem würden Glascontainer entlang der Route vorsorglich geleert.

EIne Karte von Berlin mit den Themen und Routen einiger Demonstrationen am 30. April und 1. Mai

Überblick über ausgewählte Demos in Berlin am 30. April und 1. Mai Foto: taz/Infotext/A.E.

Bereits am Montagvormittag hatte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses die Polizei als „neutralen Garanten der Versammlungsfreiheit“ bezeichnet. Zugleich kündigte Spranger aber an, die „Einschreitschwelle“ der Polizei am 1. Mai sei niedrig. Polizeipräsidentin Barbara Slowik legte den Fokus auf „antisemitische, israelfeindliche Sprechchöre“, bei denen die Polizei „unverzüglich Maßnahmen ergreifen“ werde. Als antisemitisch gelten Parolen wie „From the River to the Sea…“

21 Demos für den 1. Mai angemeldet

Insgesamt sind für den Feiertag 21 Versammlungen angemeldet, neben der Revolutionären 1.-Mai-Demo am Abend durch Kreuzberg und Neukölln die traditionelle Gewerkschaftsdemo in Mitte am Vormittag sowie die „MyGruni“-Demonstration im Villenviertel Grunewald am Nachmittag.

Der Auftakt findet aber wie gewohnt am Vorabend statt: Durch Wedding und Gesundbrunnen läuft die „Hände weg vom Wedding“-Demonstration und durch Friedrichshain und Kreuzberg die queerfeministische „Take Back the Night“-Demo. Die Berliner Polizei sprach am Montag von einer „Gemengelage“ in der Walpurgisnacht, zu der neben den Demos auch das erwartete gute Wetter mit vollen Parks beitrage. Bereits am 30. April sollen 3.000 Po­li­zis­t*in­nen Dienst schieben.

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