Neues Missbrauchsgesetz: Ein Kompromiss, keine Zeitenwende

Das neue sogenannte Missbrauchsgesetz schreibt Schutzkonzepte, Prävention und Forschung vor. Aber Betroffene warten noch immer auf einen Hilfsfonds.

Foto zeigt den Schatten von Händen.

Kinderschutz hat Priorität, aber kein Geld zur Unterstützung der Opfer in Deutschland Foto: Maurizio Gambarini/dpa

Jetzt ist es also da, das Missbrauchsgesetz. Endlich. Denn der Entwurf zum UBSKM-Gesetz, wie es offiziell heißt, weil es die Belange der oder des Unabhängigen Beauftragten für sexuellen Kindesmissbrauch (UBSKM) regeln soll, hatte bis hierhin keinen leichten Weg. Es wurde lange gefordert, von der Ampel schließlich im Koalitionsvertrag festgeschrieben und dann doch von FDP-Finanzminister Christian Lindner blockiert. Geht jetzt alles glatt, beschließt das Kabinett Ende Mai das Gesetz, zum Jahreswechsel kann es in Kraft treten.

Klingt nach einer guten Nachricht. In Teilen zumindest. Mit dem Gesetz wird die (oder der) Missbrauchsbeauftragte fest installiert, ähnlich wie der Datenschutz-, die Wehr- und der Polizeibeauftragte.

Die Missbrauchsbeauftragte muss dem Parlament regelmäßig über das Ausmaß von sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen berichten, ebenso welche Maßnahmen dagegen ergriffen worden sind. Das ist wichtig, denn nur mit knallharter Präsenz des Themas in der gesellschaftlichen Debatte bekommt es das Gewicht, das es verdient. Laut der Weltgesundheitsorganisation erleben etwa zwei Kinder in jeder Schulklasse sexuelle Gewalt. Manche jahrelang, bis sie physisch und psychisch zerstört sind.

Daher verpflichtet das Gesetz Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, dazu, Schutzkonzepte zu erarbeiten. Verankert im Gesetz sind ebenso Prävention und Prävalenzforschung, Fortbildung für Me­di­zi­ne­r:in­nen und Fa­mi­lien­richter:in­nen. Der existierende Betroffe­nenrat erfährt durch das Gesetz eine Aufwertung, auch können Missbrauchsopfer künftig sie betreffende Akten in Jugendämtern, Heimen, Vormundschaftsgerichten einsehen. Das blieb ihnen bislang verwehrt.

Hilfsfonds fehlt

Und doch fehlt dem Entwurf ein wichtiges Element: Einen Hinweis auf einen immer wieder geforderten Hilfsfonds, der Opfer materiell und immateriell besser unterstützt, sucht man vergeblich. Betroffene werden nicht müde zu beklagen, dass sie als Individuen zu wenig gesehen werden. So werde der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in den Kirchen, im Sport, in Heimen zwar wichtige Aufmerksamkeit geschenkt. Aber die Effekte daraus kämen bei den einzelnen Betroffenen nur selten an.

Der vorliegende Gesetzentwurf scheint eher dem Prinzip zu folgen: Bevor das Gesetz (wieder) abgeschmettert wird, geben wir uns mit einem Kompromiss zufrieden. Denn so ein Fonds kostet ja Geld. Der Kinder- und Opferschutz hätte durch das Gesetz eine Zeitenwende erfahren können. Nun ist es eher eine kleine, wenn auch wichtige Reform.

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Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.

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