Neue Regierung im Senegal: Wieder leben können vom Fischen

Senegals neuer Präsident Bassirou Diomaye Faye will Gas- und Ölverträge neu verhandeln. Das macht den Fischern von Saint Louis Hoffnung.

Eine Person auf einem Boot.

Moustapha Dieng ist Generalsekretär der nationalen autonomen Gewerkschaft der Fischer in Senegal (SYNAPS) und Aktivist Foto: Katrin Gänsler

SAINT LOUIS taz | Der Wellengang ist hoch, und in der kleinen Piroge steht das Wasser. Das ­schmale, lange und bunt bemalte Holzboot schaukelt enorm. Es ist eines von tausenden Fischerbooten, die entlang der senegalesischen Küste im Einsatz sind. Dieses gehört Mame Daouda Gueye. Wie schon sein Vater und Großvater ist der 46-Jährige von Beruf Fischer. Mit seiner Familie lebt er in Saint Louis im Nordwesten Senegals kurz vor der Grenze zu Mauretanien.

Es ist das Zentrum des Fischfangs in Senegal, das tausenden Menschen Arbeit gibt. Mit an Bord ist heute Gueyes Sohn Mohamed, der das kleine Familienunternehmen später weiterführen soll. Abwechselnd steuern die beiden das Boot. Der Dieselmotor brummt gewaltig.

Außerdem dabei an diesem Vormittag: Moustapha Dieng. Er ist Aktivist und Generalsekretär der nationalen autonomen Gewerkschaft der Fischer in Senegal (SYNAPS). Denn es geht nicht zum Fischen aufs Meer. Stattdessen wollen die Männer jene Plattform zeigen, die den Fischern das Leben schwer macht. Sie ist nur wenige Kilometer vom Strand entfernt für das Gasfeld „Greater Tortue Ahmeyim“ (GTA) errichtet worden.

Dieng hat sie seit Baubeginn genau dokumentiert. Die Gasförderung galt lange als Prestigeprojekt der bisherigen Regierung von Macky Sall. Vor zwei Jahren schätzte diese noch, dass von 2023 bis 2025 mit Einnahmen in Höhe von knapp 1,4 Milliarden Euro zu rechnen sei, berichtete das Magazin JeuneAfrique. Es heißt, das Gasfeld habe eine jährliche Exportkapazität von 2,3 Millionen Tonnen Flüssiggas (LNG). Die Gesamtmenge schätzt das britische Unternehmen BP, das Anteile in Höhe von 56 Prozent an dem Vorhaben hält, auf etwa 400 Milliarden Kubikmeter. Der Beginn der Förderung ist allerdings mehrfach verschoben worden. Wann sie nun tatsächlich beginnt, ist unklar.

In Deutschland wiederum sorgte das senegalesische Flüssiggas für zahlreiche Schlagzeilen, weil Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Jahr 2022 während seines Staatsbesuches in Senegal sagte, man wolle die Gaskooperation vorantreiben. Nach Beginn des Ukraine-Krieges wurde händeringend nach Alternativen zur Abhängigkeit vom russischen Gas gesucht. Organisationen wie die Deutsche Umwelthilfe kritisierten das Vorhaben, von dem aktuell nichts mehr zu hören ist, scharf.

Neuer Wind durch linke Regierung

Mame Daouda Gueye stellt den Motor aus. Die Plattform ist jetzt gut sichtbar, liegt allerdings noch mehrere hundert Meter entfernt. Grund dafür ist die Sperrzone, die von allen Seiten 500 Meter beträgt. Jetzt schaukelt die Piroge sanft in den Wellen. Ausgerechnet dort, wo die Fischbestände besonders gut sind, wurde die Plattform errichtet, kritisiert Gewerkschafter Dieng und zeigt auf das Bauwerk. Dass der Abstand eingehalten wird, dafür würde ein Boot der Marine sorgen. „Wenn wir sie früher gebraucht haben, war sie nicht da. Heute schützt sie das Gas.“ Dabei soll die tatsächliche Förderung rund 125 Kilometer vor der Küste Senegals und Mauretaniens stattfinden.

Wie es mit ihr allerdings weitergeht, ist unklar. Das System von Macky Sall ist Ende März abgewählt worden. In den vergangenen Jahren geriet der bisherige Präsident zunehmend in die Kritik.

Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Einschränkung von Meinungs- und Pressefreiheit. Ab 2021 wurden bei Protesten zahlreiche Personen verhaftet. Laut Human Rights Watch kamen zwischen März 2021 und Februar 2024 mindestens 37 ums Leben. Zur Verantwortung gezogen wurde niemand.

Strahlender Sieger ist nun Bassirou Diomaye Faye, der mit 44 Jahren der jüngste Präsident in der Geschichte des Landes ist. Ousmane Sonko, der eigentliche Kopf der linken und jungen Opposition, ist sein Premierminister. Faye hat während des Wahlkampfs den Bruch mit dem bisherigen System angekündigt, was Ak­ti­vis­t:in­nen wie Dieng freut. Er hofft, dass der neue Präsident die Fehler seiner Vorgänger wieder ausbügelt.

Notwendige Investitionen aus dem Ausland

Schon vor seiner Amtseinführung forderte Faye, Verträge für Gas und Öl neu zu verhandeln. Am Gasvorhaben hält das senegalesische Unternehmen Petro­sen gerade einmal zehn Prozent, Mauretanien sieben. Ob es aber tatsächlich schon Gespräche gab, ist unklar. JeuneAfrique zitierte Ende März einen Petrosen-Mitarbeiter, der gesagt hat, dass Neuverhandlungen für bestehende Verträge eine heikle Angelegenheit werden. Es gilt ohnehin als wahrscheinlich, dass Fayes Regierung diplomatischer vorgeht, als der linke Panafrikanist bisher klang.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Der Internationale Währungsfonds prognostiziert Senegal für 2024 ein Wirtschaftswachstum von 8,3 Prozent. Das Land mit mehr als 18 Millionen Ein­woh­ne­r:in­nen gilt als unternehmerfreundlicher als die übrigen frankophonen Staaten Westafrikas. Dennoch liegt es auf Platz 169 des UN-Entwicklungsindexes. Ausländische Investitionen sind dringend notwendig.

Yero Sarr, der sich in der Bewegung Fridays for Future engagiert, hat die Hoffnung, dass die Gewinne aus der Gasförderung im Sinne der Bevölkerung genutzt werden. „Mit den Erlösen müssen wir Projekte finanzieren, die junge Menschen davon abhalten, über das Meer nach Europa zu migrieren.“ Migration hat in Senegal Tradition, Rücküberweisungen machten 2022 knapp elf Prozent der Bruttoinlandsprodukts aus. Auch in Saint Louis gibt es keine Familie, in der nicht jemand das Boot in Richtung kanarische Inseln genommen hat.

Die Piroge von Mame Daouda Gueye ist zurück am Strand. Mehrere Männer haben das Boot aus dem Wasser gezogen. Moustapha Dieng setzt darauf, dass die neue Regierung den Fischfang stärkt. Das erhalte Arbeitsplätze, schaffe sozialen Frieden und verhindere die riskanten Überfahrten. „Früher konnten die Fischer hier gut von ihrer Arbeit leben. Das soll auch künftig wieder so sein.“

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