Nachbeben der griechischen Finanzkrise: EZB soll Gutachten rausrücken

Yanis Varoufakis hält es für illegal, dass die EU griechische Banken von Krediten abschnitt. Er will die Zentralbank verklagen.

Yanis Varoufakis ist von Menschen umringt und grinst in die Kamera

Ob er wohl zuletzt lacht? Griechenlands Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis Foto: dpa

BERLIN taz | Jeder kennt die Bilder: Im Sommer 2015 bildeten sich lange Schlangen vor den griechischen Geldautomaten, weil jeder Kunde nur noch 60 Euro pro Tag abheben durfte. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte die griechischen Banken von der Geldzufuhr abgeschnitten. Aber durfte sie dies überhaupt? Diese Frage war schon damals umstritten – und lebt jetzt wieder auf.

Der griechische Exfinanzminister Yanis Varoufakis und der Linken-Europaabgeordnete Fabio De Masi wollen die EZB nach dem Informationsfreiheitsgesetz verklagen und dazu zwingen, ein Rechtsgutachten zu veröffentlichen, das die Bank im Sommer 2015 eingeholt hatte – aber bisher unter Verschluss hielt. Der Verdacht liegt nahe, dass die befragten Juristen damals ebenfalls zu der Auffassung kamen, dass die EZB ihr Mandat verletzt, wenn sie Banken in Mitgliedsstaaten einfach die Geldzufuhr sperrt.

Zur Vorgeschichte: Kaum hatte Syriza die griechische Parlamentswahl am 25. Januar 2015 gewonnen, setzte auch schon der Kleinkrieg mit der EZB ein. Nur zehn Tage später verfügte die Zentralbank, dass sich die griechischen Banken kein Geld mehr direkt bei der EZB leihen durften.

Stattdessen mussten sie sogenannte ELA-Kredite bei der griechischen Nationalbank in Anspruch nehmen, die deutlich teurer waren; am 28. Juni 2015 verfügte die EZB, dass den griechischen Banken auch keine ELA-Kredite mehr gewährt werden dürfen. Also mussten sie sofort schließen – und es bildeten sich die langen Schlangen.

Hat die EZB ihr Mandat verletzt?

Die EZB schnitt die griechischen Banken von der Geldzufuhr ab, weil die griechische Regierung am Tag zuvor beschlossen hatte, ein Referendum über die Troika-Reformen abzuhalten. Nicht wenige Beobachter waren schon damals der Meinung, dass die EZB eindeutig ihr Mandat verletzte, denn sie hatte sich in einen politischen Konflikt eingemischt – obwohl sie unpolitisch sein soll.

In einen politischen Konflikt

darf sich die EZB nicht

einschalten

Kritik äußerten damals nicht nur linke Volkswirte, sondern auch eher konservative Finanztheoretiker. So schrieb der international renommierte Ökonom Martin Hellwig im Juli 2015 in der taz: „Das Einfrieren der Notkredite ist nicht mit den vertraglichen Pflichten der EZB vereinbar … Für die Wirtschaft eines Landes ist die Zerstörung des Banksystems und der Zahlungsprozesse so etwas wie die Zündung einer Atombombe. Die Schäden sind unübersehbar. Schon die Drohung hat ein großes Erpressungspotential.“

Neben der Klage sammeln Varoufakis und De Masi ab diesem Montag auch Unterschriften für eine Petition, um den öffentlichen Druck auf die EZB zu erhöhen (diem25.org/thegreekfiles). Die Petition wird unter anderem unterstützt von dem französischen Sozialisten Benoît Hamon, der Linken-Parteivorsitzenden Katja Kipping sowie der Politologin Gesine Schwan (SPD). Zu den Erstunterzeichnern gehören zudem die Ökonomen Rudolf Hickel und Gustav Horn sowie der Germanist Joseph Vogl.

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