Luftqualität und Suizidrate: Saubere Luft gibt Lebensmut

Eine Studie findet erstmals einen Zusammenhang zwischen weniger Feinstaub und dem Rückgang von Suizidraten. Wie lässt sich sowas überprüfen?

Weiß eingehüllte Figuren mit blauen Lungen im Oberkörperbereich bei einer aktion auf der Strasse

Für saubere Luft und gegen Feinstaub. Greenpeace-Aktivisten in Stuttgart Foto: Arnulf Hettrich/imago

Saubere Luft macht unser Leben besser und länger. Feinstaubbelastung fördert unter anderem Entzündungszustände im Gehirn, die in Verbindung mit Depression und Demenz stehen. Außerdem erschwert sie Produktivität und komplexes Denken. Diese Zusammenhänge bestätigen viele Studien. 23 Millionen zusätzliche Lebensjahre könnte etwa die britische Bevölkerung laut Forschenden gewinnen, wenn Luftfilter die Feinstaubbelastung zu Hause halbierten. Jetzt rechnet eine neue Studie in dem Fachblatt Nature Sustainability vor, dass die stark gesunkene Suizidrate in China stark auf strengere Luftqualitätsrichtlinien zurückzuführen ist, die seit 2013 gelten.

Die Studie

Etwa 700.000 Menschen weltweit setzen jedes Jahr ihrem Leben selbst ein Ende – ein Großteil davon in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen. Dass diese Zahl dort, und besonders in China, zuletzt viel stärker gefallen ist als im Rest der Welt, wird oft dem ökonomischen Wachstum zugeschrieben. Die Ver­­fas­se­r*in­­nen dieser Studie haben sich die Mühe gemacht, die komplexen Wechselwirkungen aus Verkehr, Feinstaub und ökonomischer Aktivität auseinanderzudividieren.

Die Forschenden stützten ihre Berechnungen dazu auf möglichst viele Daten aus möglichst vielen unterschiedlichen Regionen des Landes. Über vier Jahre hinweg verglichen sie die Ergebnisse von 1.400 Luftmessern mit 139.196 Statistiken zu Suiziden aus fast 600 chinesischen Ortschaften. Untersucht wurden speziell Tage mit sogenannten Umkehrwetterlagen. Bei diesem Wetterphänomen ist die Luft in den oberen Schichten wärmer als in den unteren, kalte Luft kann daher nicht aufsteigen und schließt, wenn die Luft schlecht genug ist, die Menschen am Boden in einer Smogglocke ein. Dieses Phänomen macht es möglich, den Effekt spontaner Luftveränderungen zu untersuchen.

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Tatsächlich stieg der Feinstaubgehalt in diesen Wetterlagen stark an. Und: Er ging einher mit einem 25-prozentigen Anstieg der Suizidraten. Besonders ältere Frauen waren davon betroffen. Möglicherweise, weil ihre Lungen und Gehirne besonders sensibel auf Feinstaub reagieren. Basierend auf diesem Zusammenhang berechneten die Forschenden, dass die Einführung der Luftqualitätsrichtlinien – und die dadurch gesunkene Feinstaubbelastung – innerhalb von fünf Jahren zwischen 13.000 und 79.000 Leben gerettet hat. Die Forschenden schätzen den Anteil der neuen Richtlinien am Rückgang auf etwa zehn Prozent.

Was bringt’s?

Immer mehr Studien belegen den Zusammenhang zwischen Feinstaubbelastung und Suizidrisiko. Diese zeigt zudem auf, was sich dagegen unternehmen lässt: Industrievorgaben, Verkehrswende, grüne Barrieren, Belüftungsanlagen und portable Luftfilter – all das hilft gegen Feinstaub. Auch in Berlin hat sich übrigens die Luft in einigen Straßen in letzter Zeit signifikant verbessert. Die Reaktion der Politik: Schön, dann brauchen wir ja kein Tempolimit mehr. Really?

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