Kriegsdienstverweigerer als Veteran: Der Unveteran

Sind auch nachträgliche Kriegsdienstverweigerer ohne ihr Wissen Veteranen der Bundeswehr? Das wollte unser Autor genau wissen – und bekam Post.

Bundeswehrsoldaten auf dem Rad

Kein zurückradeln! Bundeswehr 1988 in Hammelburg Foto: imago

Manchmal kann man bei Wer wird Millionär? nicht nur einen großen Scheck gewinnen, sondern auch einen großen Schreck erleiden. Neulich war gefragt, welche Organisation in Deutschland im November 2018 auf einen Schlag plötzlich Millionen Mitglieder bekam. Richtige Antwort: die Bundeswehr, die per Erlass allen Ehemaligen seit 1956 den Ehren­status eines Veteranen zuspricht. Ganz nach US-Vorbild.

Warum Schreck? Weil ich, Fehler meines Lebens, auch einmal 15 Monate dabei war: Grundwehrdienst. Schweres Pionierbataillon. Ekelhaft. Würderaubend. Zwar folgte als Reservist bald die erfolgreiche Kriegsdienstverweigerung, somit eine Art Reinwaschung des Gewissens. Aber, hallo: Alle Ehemaligen sind jetzt offiziell Veteranen? Ich auch? Igitt.

Schnellrecherche im Netz. Ja, steht da, tatsächlich alle Exsoldaten – mit einer Ausnahme: wenn man unehrenhaft entlassen worden sei. Das war ich nicht. Also: Bin ich zurückvereinnahmt, ohne es zu ahnen?

Mailanfrage im Verteidigungsministerium. Nach drei Tagen Rückruf des Gefreiten einer Verwaltungsstelle. Er fragt nach der Personenkennziffer. Hallo, junger Mann, das ist über 40 Jahre her! Ersatzweise Zeit und Ort des Dienstes? Damit konnte ich, haha: dienen. Er bedankte sich und versprach, sich um das Veteranenabzeichen zu kümmern. Um das was?

„Wertschätzung für treuen Dienst“

Sechs Wochen lang passierte nichts, erneute Mail. Kurze Antwort. Man prüfe den Sachverhalt des Veteranenabzeichens. Jetzt wollte ich doch mal wissen, was die mir da ausdauernd andrehen wollen: Das Abzeichen („Ein festes Band, das alle verbindet“) ist ein kleines hässliches Kreuz mit Adler in der Mitte zum Aufnähen. Es symbolisiere „Wertschätzung für treuen Dienst“, wie es heißt. Hallo, ich besitze staatlich anerkannte Untreue.

Schließlich, der Bescheid: Die Überprüfung der Rechtslage durch eine Fachabteilung habe ergeben, hieß es, dass nach Wehrpflichtgesetz in alter Fassung (zu Zeiten meiner Verweigerung) wie auch neuer Fassung eine Kriegsdienstverweigerung „mit dem Verlust des Dienstgrades einhergeht“, daher sei ich kein Gefreiter der Reserve mehr. Heißt: „Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass Sie nicht zu den Veteranen zählen.“ Und bockig dazu: „Das Veteranenabzeichen wird Ihnen nicht ausgehändigt.“

Also doch keine Zwangsveteranisierung. Ich hätte dagegen geklagt und gleichzeitig die Bewegung der nachträglichen Verweigerer aus den 1980er Jahren allumfassend mobilisiert inklusive öffentlicher Veteranenabzeichenverbrennung. Nicht noch einmal mit uns!

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Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).

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