Höckes SA-Satz: Wer findet sich da schon wieder

Björn Höcke steht in Halle vor Gericht, weil er mutmaßlich bewusst eine Parole der SA verwendet hat. Schon der erste Prozesstag hatte es in sich.

Björn Höcke

Björn Höcke am Gericht in Halle, 18. April 2024 Foto: Fabrizio Bensch/reuters

HALLE taz | Für gewöhnlich beginnen Strafprozesse damit, dass die Staatsanwaltschaft ihre Anklage verliest. Beim Auftakt im Prozess gegen den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke vor dem Landgericht Halle war das anders. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, er habe bewusst die verbotene SA-Parole „Alles für Deutschland“ in einer Wahlkampfrede verwendet.

Mit mehreren Anträgen zögerten seine Verteidiger die Verlesung der konkreten Anklage stundenlang hinaus. Kurz nachdem die Staatsanwaltschaft sie dann vorgetragen hatte, endete der erste Prozesstag. Inhaltlich war er nicht, zur Sache ging es trotzdem.

In der Anklage geht es um eine Rede von Höcke, die dieser Ende Mai 2021 vor etwa 250 Zu­hö­re­nden in Merseburg hielt. Damals unterstützte er seine Par­tei­kol­le­g:in­nen im benachbarten Bundesland Sachsen-Anhalt beim Landtagswahlkampf. Zum Ende seiner Rede sagte er, das Wahlkampfmotto aufgreifend: „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland.“

Bei den letzten drei Worten handelt es sich um die verbotene Parole der sogenannten Sturmabteilung (SA), einer paramilitärischen Organisation mit zeitweise Hunderttausenden Mitgliedern. Nach 1933 verlor sie zwar an Einfluss, doch zuvor organisierte sie rassistische Propaganda und setzte dabei die rechte Ideologie mit teils tödlicher Gewalt um.

Verboten

In Deutschland ist die Verwendung der Parole verboten. Wie bei allen verfassungswidrigen und terroristischen Organisationen ist es strafbar, die Kennzeichen zu verwenden – auch die Parolen. Wer sie doch verwendet, muss mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren rechnen.

Am Donnerstag in Halle äußerte sich der Angeklagte Björn Höcke nicht zu den Vorwürfen. Er war in dunklem Anzug mit blauer Krawatte im Gerichtssaal erschienen und trug in der Hand ein paar Karten, als sei er auf eine lange Rede vorbereitet. Auf den Kärtchen zu sehen: das Logo der AfD im Thüringer Landtag.

Der bekannte Politiker saß zwischen seinen drei Verteidigern auf der Anklagebank, hinter ihm Personenschutz. Den Kopf betont bedächtig auf die linke Hand gestützt, verfolgte Höcke, wie seine Anwälte einen Antrag nach dem anderen stellten.

Gleich mit dem ersten setzte die Verteidigung den Ton. Die Staatsanwaltschaft kritisierte diesen Antrag umgehend als „verpackte“ Eröffnungsrede. Aber sein Inhalt könnte trotzdem ein Hinweis auf die Verteidigungsstrategie des AfD-Politikers sein.

Seine Anwälte beantragten, der Prozess solle digital aufgezeichnet werden. Sie hätten unter anderem Sorge, dass der Angeklagte in einem politisch motivierten Prozess verurteilt werde. Der Vorwurf einer „politischen Gesinnungsjustiz“ ließe sich durch eine Aufzeichnung entkräften. Zudem sei unklar, wie die bisherige Berichterstattung das Gericht beeinflusst habe.

Vier Pausen

Der Vorsitzende Richter Jan Stengel ordnete daraufhin zur Beratung die erste von vier Pausen an. Danach lehnte er den Antrag ab. Eine gerichtliche Tonaufnahme entspreche nicht dem geltenden Recht. Zudem bestehe keine Gefahr, dass dem Angeklagten ein unfaires Verfahren droht. Später sagte Richter Stengel noch, Höcke stehe frei, sich nach dem Prozess auch an das Verfassungsgericht zu wenden.

Auf die erste Ablehnung folgten Beanstandungen und Beschwerden. Aber am Ende wurden alle Anträge der Verteidiger Höckes abgelehnt. Staatsanwalt Benedikt Bernzen kritisierte zudem den Umgang der Anwälte von Höcke. Als er zum ersten Mal ansetzte, um die Anklage vorzutragen, hatte ihn Höcke-Anwalt Ulrich Vosgerau unterbrochen.

Höcke selbst zeigte sich entspannt, obwohl mehrere hundert Demonstrierende zu Beginn der Verhandlung vor dem Justizzentrum in Halle gegen ihn protestierten. Im Saal saßen nicht nur 45 Journalist:innen, sondern auch Un­ter­stüt­zer:in­nen des rechtsextremen Politikers. Höcke winkte nach der zweiten Pause ein-, zweimal ins Publikum.

Ein zweiter Fall war am Mittwoch vom Verfahren abgetrennt worden. In diesem hatte Höcke in Gera bei einer Rede „Alles für …“ gesagt, aber statt selbst das letzte Wort in den Mund zu nehmen, hatte er eine Handgeste zum Publikum gemacht. Das vervollständigte daraufhin vielstimmig: „… Deutschland!“ Die Staatsanwaltschaft hat beantragt, dass der Fall wieder aufgenommen wird.

Die nächste Verhandlung steht in der kommenden Woche am Dienstag an. Richter Stengel ließ anklingen, dass im weiteren Prozessverlauf auch der Auftritt von Höcke bei Welt TV eine Rolle spielen könnte. Dort hatte Höcke vor einem Millionenpublikum behauptet, die SA-Parole sei nur ein „Allerweltsspruch“. Auf X (früher Twitter) klagte er hingegen bezüglich der Anklage, „in Deutschland wird jeder Patriot als Nazi diffamiert“, das solle verhindern, „dass Deutschland sich wiederfindet“. Wie sich Deutschland in der Parole der SA wiederfinden solle, erklärte er nicht. Aber im Laufe des Prozesses will er sich auch noch ­äußern.

Hinweis: In einer früheren Version stand, die Staatsanwaltschaft habe eine Tonaufzeichnung beantragt. Das stimmt nicht, es war die Verteidigung des Angeklagten Björn Höcke. Wir haben das korrigiert und bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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