Handball-Nationalspielerin Emily Bölk: Große Erwartungen

Mit der 19-jährigen Emily Bölk spielt im deutschen Team bei der Handball-WM eine Ausnahmekönnerin. Und sie kann gut mit Stress umgehen.

Eine Frau springt hoch und will einen Ball werfen. Dafür holt sie weit aus

Die Spitzenspielerin Bölk springt beim Spiel gegen die Niederlande über die Köpfe hinweg Foto: dpa

LEIPZIG taz | Es ist nicht immer einfach, auch Emily Bölk muss schwierige Momente überstehen. „Ich muss aufpassen, dass ich nicht anfange zu heulen“, sagt Bölk mit Blick auf die Sekunden, wenn sie als Handball-Nationalspielerin in eine voll besetzte Halle einmarschiert. Da droht sie die Kontrolle über die eigenen Emotionen, also über sich selbst, zu verlieren. Auf dem Feld passiert das selten, mit dem harzverklebten Ball in der Hand macht sie sehr viel sehr richtig. Deshalb ist sie die Hoffnungsträgerin der deutschen Frauen bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land, die am Sonntag mit den ersten Spielen des Achtelfinales Fahrt aufnimmt.

Emily Bölk ist gerade mal 19 Jahre jung und soll doch schon eine entscheidende Rolle bei der WM einnehmen. Die Erwartungen an die Rückraumspielerin sind groß. Das kann schnell zur Belastung für jemanden werden, der noch so wenig Erfahrung auf diesem hohen Niveau machen konnte und zudem seit Jahren immer wieder mit Begriffen wie „Wunderkind“ oder „Jahrhunderttalent“ konfrontiert wird.

In den Tagen von Leipzig wirkte es manchmal so, als gäbe es nur ein zen­trales Thema bei dieser WM: Alle warten auf Emily. Das gilt für die Öffentlichkeit genauso wie für das Team. Unmittelbar vor dem Auftakt vor einer Woche zog sich Bölk eine Knöchelverletzung zu, verpasste deshalb die ersten Spiele und deutete nach ihrer Rückkehr in der Partie gegen China, bei der sie nur wenige Minuten zum Einsatz kam, bereits an, warum ein so großes Interesse an ihr herrscht: Innerhalb der deutschen Mannschaft hat niemand die Dynamik und den Zug zum Tor wie die 19-Jährige, und weltweit gibt es nur wenige wie sie.

„Wenn das Interesse zu viel wird, werden wir sie rausnehmen, das ist bereits besprochen“, sagt Wolfgang Sommerfeld. Der 67-Jährige ist Sportdirektor des Deutschen Handballbundes (DHB) und hat eine Vorstellung davon, welches Interesse Bölk während der Heim-WM in der Öffentlichkeit auslösen könnte. Denn sie ist jung, außerordentlich talentiert und spielt im linken Rückraum, also auf der sogenannten Königsposition. Auch Bundestrainer Michael Biegler betont stets, dass man Bölk mit großer Sorgfalt behandelt. Sommerfeld ist dennoch unbesorgt, dass Bölk unter der Last, die ihr von außen aufgeladen wird, zusammenbrechen könnte: „Emily ist sehr weit in ihrer Entwicklung, sie hat das bisher sehr gut geschafft.“

Vor knapp drei Jahren, Bölk war gerade 16 Jahre alt geworden, ging der Stern des Talentes auf, als sie mit der Junioren-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft die Silbermedaille gewann, zur besten Spielerin des Turniers gekürt wurde und im Achtelfinale gegen Portugal mit 22 (in Worten: zweiundzwanzig) Toren glänzte. Anschließend nahm die Karriere weiter Fahrt auf, bei ihrem Heimatverein Buxtehuder SV gab sie wenige Wochen später ihr Bundesliga-Debüt und trug mit 18 Jahren zum ersten Mal das Trikot der A-Nationalmannschaft.

Emily Bölk

„Ich bin ohnehin selbst meine größte Kritikerin“

Einordnungen wie „Wunderkind“ oder „Jahrhunderttalent“ moderiert sie in beeindruckender Manier ab. „Das habe ich schon mal gelesen, aber damit beschäftige ich mich nicht. Ich bin ohnehin selbst meine größte Kritikerin“, sagt die 19-Jährige, die sich einfach daran gewöhnt hat, unter besonderer Beobachtung zu stehen – und die sich daran gewöhnt hat, nicht nur Emily Bölk zu sein, sondern, sportlich gesehen, immer auch die Tochter von Andrea Bölk. Die Mama gewann 1993 WM-Gold, die Großmutter Inge Stein war DDR-Na­tio­nalspielerin und Papa Matthias Bundesliga-Handballer – die guten Anlagen für diesen Sport sind bei Emily Bölk genetisch nachweisbar. In Leipzig sitzt Andrea Bölk auf der Tribüne und schaut zu, wie die Tochter versucht, ihre Geschichte zu wiederholen.

Die deutschen Frauen kassierten am Freitag mit einem 21:31 gegen Vize-Weltmeister Niederlande die erste Turnierniederlage und verpassten den Gruppensieg. An diesem Sonntag trifft das Team nun im Achtelfinale auf Dänemark. Das Spiel beginnt um 20.30 Uhr. (dpa/taz)

Auch mit den ständigen Vergleichen mit der eigenen Mutter geht Emily Bölk souverän um, sie schmeicheln ihr eher, als dass sie nerven. „Ich habe ein tolles Verhältnis zu meiner Mama“, erklärt sie unaufgeregt. Sie erlebt die Erfolge ihrer Mutter nicht als Bürde, sondern vielmehr als Ansporn, was sie von vielen Kindern erfolgreicher Eltern grundlegend unterscheidet. „Zuletzt habe ich mir mit meiner Mama das WM-Finale von 1993 bei YouTube angeschaut, das war cool“, sagt Bölk.

Es ist durchaus möglich, dass sich in ein paar Jahrzehnten immer noch Menschen die Auftritte von Emily Bölk anschauen, denn sie bringt nicht nur die körperlichen Voraussetzungen mit, um Großes zu erreichen, sondern – und das ist vermutlich wichtiger – die mentalen. „Emmy kann gut mit Stress und Druck umgehen“, sagt Sportdirektor Sommerfeld: „Und sie ist in ihrer Persönlichkeit sehr klar.“ Gepaart mit der enormen Wurfhärte und der Dynamik, die sie auf dem Feld entfalten kann, sind das auch die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Karriere.

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