Gipfel-Gefangene in Hamburg: Knast nach dem Protest

35 Menschen sitzen wegen der G20-Proteste in U-Haft. Was ihnen vorgeworfen wird, woher sie kommen und warum einigen eine harte Strafe droht.

Gitter vor einem Fenster

Schlechte Aussicht: In der Untersuchungshaft in Billwerder warten Gipfelgegner auf ihren Prozess Foto: dpa

HAMBURG taz | Auf Hamburgs Straßen habe er „unkontrollierte Freiheit geatmet“. Riccardo, wie der Verfasser eines offenen Briefes an die linke Szene sich nennt, ist einer von 35 Inhaftierten, die noch wegen der Proteste gegen den G20-Gipfel in Untersuchungshaft sitzen. Keine Gefangenschaft könne „die Erfahrung des Zusammenkommens auf Hamburgs Straßen bezwingen“, schreibt er aus dem Gefängnis Billwerder.

Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft wegen der G20-Proteste gegen 51 Beschuldigte Haftbefehle erlassen. Inzwischen wurden 15 von ihnen entlassen, während die Ermittlungsverfahren gegen sie weitergehen. Insgesamt laufen 152 Ermittlungsverfahren wegen Straftaten im Zusammenhang mit dem Gipfel, davon 51 gegen unbekannt.

Unter den Inhaftierten sind 13 Deutsche, sechs Italiener und drei Franzosen, die restlichen sind Staatsangehörige aus der Schweiz, Österreich, Russland, Ungarn, Serbien, den Niederlanden, Rumänien und Tschechien. Den meisten werden mehrere Straftaten vorgeworfen: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, tätlicher Angriff, schwerer Landfriedensbruch, versuchte gefährliche Körperverletzung und in einigen Fällen Verstöße gegen das Vermummungsverbot. Auch Sachbeschädigung und in je einem Fall der Eingriff in den Luftverkehr und Einbruchdiebstahl sind unter den Vorwürfen.

Brisant ist der Vorwurf des tätlichen Angriffs: Er geht zurück auf eine Gesetzesverschärfung, die seit dem 1. Juli in Kraft ist. Wer etwa eine*n Polizist*in schubst, muss seitdem mit einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten rechnen, egal, ob der Beamte dabei verletzt wurde, Schmerzen erlitten hat oder nicht. Die Strafe verdoppelt sich auf mindestens sechs Monate, wenn der „Angriff“ aus einer Gruppe heraus begangen wurde. Mit anderen Worten: Wer einen Polizisten falsch berührt, während noch andere Leute neben einem stehen, kann mit sechs Monaten Knast rechnen, und die daneben stehenden auch.

Landfriedensbruch: Wer sich aus einer Menschenmenge heraus an Bedrohungen oder Gewalt gegen Menschen oder Sachen beteiligt und wenn dies die öffentliche Sicherheit gefährdet, dann droht dafür eine Geldstrafe oder bis zu drei Jahre Knast.

Wenn man bedeutenden Schaden anrichtet, droht für besondere Schwere bis zu zehn Jahre Haft.

Als gefährliche Körperverletzung zählt, wenn man mit anderen zusammen jemanden verletzt, zum Beispiel durch einen Flaschenwurf aus einer Menge.

Für 18 der jetzt in U-Haft sitzenden Menschen könnte dieses Szenario zutreffen. Mit einer Ausnahme wird allen, denen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen wird, auch ein solcher „tätlicher Angriff“ vorgeworfen.

Vielen sei dieser neue Straftatbestand erst im Nachhinein vorgeworfen worden, sagt die Anwältin Fenna Busmann vom Anwaltlichen Notdienst. Also nicht beim Aussprechen des Haftbefehls, sondern erst bei der ersten Haftprüfung. Der Vorwurf von Landfriedensbruch reiche normalerweise nicht aus, um eine Untersuchungshaft zu begründen, erklärte sie.

Bei einigen der Fälle werde die besondere Schwere des Landfriedensbruchs mit den schweren Ausschreitungen begründet. Dabei wurden sie bereits am Freitagmorgen festgenommen, zu den schweren Ausschreitungen kam es aber erst am späten Abend. „Hier werden Menschen für Zustände verantwortlich gemacht, die sie gar nicht verantwortet haben können, weil sie schon vorher festgenommen wurden“, so Busmann.

Antirepressionsgruppen haben derweil eine Unterstützungskampagne gestartet – für die bereits Beschuldigten und diejenigen, die zukünftig noch von Repression betroffen sein werden.

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