Freier Eintritt bei Fortuna Düsseldorf: PR-Coup für alle

Zweitligist Fortuna Düsseldorf will freien Stadion­eintritt ermöglichen – um das Stadion zu füllen und Sponsoren zu finden. Spannend ist es trotzdem.

Drei Personen an einem Tickethäuschen

„Hier kein Ticketverkauf“, heißt es an dem Kassenhäuschen Foto: Moritz Müller

Als Alexander Jobst, Vorstandsvorsitzender des Männer-Fußball-Zweitligisten Fortuna Düsseldorf, dem Düsseldorfer Oberbürgermeister sein Konzept des Fußballs fürs Alle präsentierte, schrieb er angeblich auf die erste Folie den Satz: „Wir starten eine Revolution im Profifußball.“ So zumindest erzählte es Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) auf einer gehypten Pressekonferenz am Mittwoch. Oder, in Jobsts eigenen Worten: „Es ist möglicherweise ein Stein, der ins Rollen gebracht wird.“

Ist es das? Zunächst mal ist es ein erfolgreicher PR-Coup, den Fortuna Düsseldorf da gelandet hat. Fortuna, bei den Herren ein mäßig nachgefragter Zweitligist mit Erstliga-Ambitionen, verspricht, den Fußball für alle zu öffnen, kostenlosen Stadion­eintritt. Ab kommender Saison soll es eine Pilotphase mit drei Freispielen geben; alle Heimspiele werden erst dann kostenfrei, wenn die fehlenden Ein­nahmen durch weitere Sponsoren ausgeglichen seien. 45 Millionen Euro für fünf Jahre hat der Klub von mehreren Sponsoren für das Projekt eingesammelt, darunter die Initiative Common Goal, bei der Fußballaktive oder Klubs ein Prozent ihrer Einnahmen für soziale Projekte spenden. Auch bei Fortuna soll transparent geteilt werden: 20 Prozent der zukünftigen Einnahmen gehen, so das Versprechen, an Nachwuchs, Mädchen und Frauen, zehn Prozent an soziale und nachhaltige Projekte sowie den Breitensport.

Zweifellos ist dieses Konzept eine klug gestrickte Umdeutung: Die graue Maus Fortuna, deren Stadion durchschnittlich eher zur Hälfte gefüllt ist, verschenkt (fast) alle Tickets, kassiert Sponsorengelder und im Idealfall doppelt so viel wie sonst mit Bier- und Wurstverkäufen und ­überzeugt zugleich viele Medien davon, dass es sich hier um eine demokratische Revolution handele. Da kaschieren andere graue Klubs (siehe Herthas ­peinliches QR-Code-Dauerkarten-Tattoo) ihre Notlage weniger erfolgreich.

Ironischerweise ist Fortuna-Vorstand Alexander Jobst just jener Marketingmann, der vor Jahren den Schalkern einen Deal mit Viagogo, der verhassten Börse für überteuerte Eintrittskarten, aufschwatzen wollte, und an Fanprotesten scheiterte. Gutmenschentum ist das hier sicher nicht. Fast scheinen die Macher selbst ein bisschen Angst zu haben, als solidarisch dazustehen. „Wir sind nicht die besseren Menschen oder die Wohl­täter, wir wollen die Fortuna stärker aufstellen“, betonte Vorstand Klaus Allofs. Bloß nicht das Fußballgeschäft aufschrecken oder gar eine Meinung zu Ticketpreisen äußern.

Problematisch, aber auch spannend

Vieles an diesem Deal lässt sich also kritisieren: Der noch massivere finanzielle Einfluss von Unternehmen, die die Verluste ausgleichen und dafür sicher nicht nur Bandenwerbung einfordern. Das pompöse Abfeiern einer Maßnahme, die etwa im Fußball der Frauen seit Jahrzehnten praktiziert wird und diesem als Verzweiflung ausgelegt wird statt als Demokratie. Die wenig subtile Betonung, dass die Idee eigentlich bloß entwickelt wurde, um eine mögliche Zukunft der Herren in der ersten Bundesliga zu finanzieren. Und ob bei 17 Umsonst-Spielen langfristig wirklich mehr Publikum kommt, ob diese Spiele überhaupt finanzierbar sind, ist unklar.

Und doch ist all das auch spannend. Die Dystopie des gentrifizierten Stadions mit astronomischen Ticketpreisen, in das nur noch CEOs und Tou­ris­t:in­nen kommen, ist am eindrücklichsten im englischen Männerfußball zu besichtigen. Aber längst ist auch die deutsche Ar­bei­te­r:in­nen­schaft weitgehend aus der Männer-Bundesliga verdrängt. Der kostenlose Eintritt eröffnet erst mal ganz banal Teilhabe und Zugang. Interessant ist auch die medial unterbeleuchtete Selbstverpflichtung, wohin das Geld fließen soll. Gewiss, es sollen immer noch 70 Prozent der Gelder ausschließlich oder überwiegend dem Männerprofiteam zugutekommen. Aber in einer Liga, in der oft 60 bis 70 Prozent des Umsatzes allein in die Gehälter (!) der Ersten Herren fließen, ist schon das ein begrüßenswerter Schritt.

Eigentlich muss Fortuna in der Zweiten Liga gewiss nicht jammern; die Umsätze der Liga steigen seit Jahrzehnten, sie sind höher als jene fast aller ersten Ligen in Europa. Aber in einem Fußball, dessen Reiche immer reicher werden und die Schere immer größer, müssen kleinere Klubs immer noch weitere Mittel aufbringen. Und zunehmend eine Story bieten, um diese Mittel zu bekommen – siehe Union Berlin, SC Freiburg oder FC St. Pauli. Glaubt man Jobst, seien die neuen Sponsoren vor allem wegen des gesellschaftlichen Bekenntnisses gekommen. Dass dieses für die Mittelgroßen zunehmend ein Faktor wird, ist zumindest eine gute Nachricht.

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