DGB-Demo am 1. Mai in Berlin: Schaulaufen der Arbeitskämpfe

Die 6.000 Teil­neh­me­r:in­nen der Gewerkschaftsdemo in Berlin stimmen sich auf kommende Auseinandersetzungen ein. Nicht alle sind begeistert vom DGB.

Eine breite Straße von oben gesehen mit einem langen Demonstrationszug, im Hintergrund der Alexanderplatz mit dem Berliner Fernsehturm

Parteiprominenz, Kommunisten, Bier und Bratwurst: Die DGB-Demo am 1. Mai auf der Karl-Marx-Allee in Berlin-Mitte Foto: Christoph Soeder/dpa

BERLIN taz | Voran schreiten die Gewerkschaftssekretäre und Parteiprominenz, hinten rufen kommunistische Gruppen zum Klassenkampf auf, am Ende gibt es Bier und Bratwurst – die tradi­tionelle Demo des Deutschen Gewerkschaftsbunds blieb auch in diesem Jahr ihrem Konzept treu. Rund 6.000 Menschen liefen bei sonnigstem Wetter unter dem Motto „Mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit“ über die Karl-Marx-Allee zur Schlusskundgebung vor dem Roten Rathaus.

Trotz ausbleibender Überraschungen war der diesjährige Auftakt zum 1. Mai alles andere als inhaltsleer. Die Teil­neh­me­r:in­nen boten ein Schaulaufen aktueller gewerkschaftlicher Kämpfe. Ob GEW, NGG, FAU, IGBAU – das Meer an Gewerkschaftsfahnen weckte Erinnerungen an einen bekannten Fanta-4-Song.

Neben dem Kampf für mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen war die Sparpolitik in diesem Jahr ein bestimmendes Thema: „Wir sind es, die diese Stadt am Laufen halten, wir müssen uns gegen den Sozialabbau wehren“, schallte es vom Lautsprecherwagen. Vor allem dem Sozialbereich drohen angesichts der sich anbahnenden Haushaltskrise harte Einschnitte.

„Die Daseinsvorsorge in dieser Stadt geht den Bach runter“, sagte Vivantes-Beschäftigte Susanne, die ihren Nachnamen lieber nicht nennen will. Statt zu sparen, brauche es eine solide Ausfinanzierung des Gesundheitsbereichs.

Inflation frisst Tarifabschlüsse

Ungeachtet knapper Kassen sind die im öffentlichen Dienst Beschäftigten weiterhin entschlossen, für Lohnerhöhungen zu kämpfen. „Es ist ein Verteilungskonflikt. Die Frage ist: Wer macht am meisten Druck?“, sagte Stefan Bornost, Verdi-Gewerkschaftssekretär im Bereich Abfallwirtschaft. Die Beschäftigten der BSR waren am Mittwoch zahlreich vertreten, sogar ein eigenes Kehr-Mobil hatten sie mitgebracht.

Im öffentlichen Dienst stehen nächstes Jahr wieder Tarifverhandlungen an, Bornost hofft, dieses Mal echte Real­lohn­gewinne erzielen zu können. Die bisherigen Abschlüsse ­waren zwar sehr hoch, wurden bislang aber alle wieder von der ­In­flation aufgefressen. „Der 1. Mai ist für uns auch der Start für die nächste TVÖD-­Kampagne“, so der Gewerkschaftssekretär.

„Der DGB steht hinter dem Kapital“

Weiter hinten, im klassenkämpferischen Block, wollte man vom Selbstlob der etablierten Gewerkschaften nicht viel hören: „Wir können uns auf den DGB nicht verlassen. Die stehen hinter dem Kapital“, so Joleen Haupt von „Betriebskampf“, einer Vernetzung „klassenkämpferischer Arbeiter:innen“. Als Beispiel nannte Haupt den im Dezember abgeschlossenen Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst der Länder, der für die Beschäftigten rund 10 Prozent mehr Lohn bedeutete. „Klingt viel, aber wenn man sich anschaut, wie stark die Preise gestiegen sind, ist es das nicht.“

Dazu kommt, berichtete Haupt, dass die Gewerkschaften sich nicht genug um die nicht tarifgebundenen Beschäftigten kümmerten. Dabei bekämen gerade die im Sozialbereich weniger Lohn als die direkt beim Land beschäftigten Kolleg:innen. Derzeit weigert sich der Senat, den Beschäftigten freier Träger die eigentlich schon zugesicherte Hauptstadtzulage von 150 Euro im Monat zu bezahlen.

Mehr noch vermutet Haupt, dass es zu einem massiven Stellenabbau im Sozialbereich kommen wird: „Ich fürchte, wir werden bald wie in den nuller Jahren massenweise arbeitslose So­zi­al­ar­bei­te­r:In­nen haben.“

Rufe nach Ende der Waffenlieferungen an Israel

Aufällig, aber wenig überraschend, war auch der Nahostkonflikt Thema auf der diesjährigen Demo. „Gazakrieg stoppen, Menschenleben retten“ stand auf einem Transparent, das Mitglieder des Arbeitskreises Frieden der Bildungsgewerkschaft GEW vor sich hertrugen.

Die vom Arbeitskreis gegründete Initiative „Gewerk­schaf­ter:innen für Gaza“ setzt sich für einen Stopp deutscher Waffenlieferungen an Israel ein. „Wir sind eine Initiative von unten. Die Gewerkschaftsleitung schweigt dazu“, kritisierte Rainer Witzel vom AK Frieden.

Hinter der Forderung steht der langgehegte Wunsch nach politischen Streiks, die nach aktueller Rechtsauslegung verboten sind. „Dass in Deutschland Häfen mit Rüstungsexporten bestreikt werden wie in Italien, davon sind wir noch meilenweit entfernt“, so Witzel.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.