Bremer Affenversuche dürfen weitergehen: Forschungsnutzen darf abstrakt sein

Der Senat hatte die Hirnforschung an Makaken 2023 nicht neu genehmigt. Doch die Gutachten zur Begründung seien unbrauchbar, so das Verwaltungsgericht.

Der Neurobiologe Andreas Kreiter 1998 in seinem Labor in der Bremer Uni; auf dem Computerbildschirm hinter ihm ist gerade die Abbildung eines Gehirns zu sehen, bei dem ein Teil eingefärbt ist. Auch der Block in seinen Händen zeigt einen Gehirnquerschnitt

Grundlagenforschung dauert Jahrzehnte: Neurobiologe Andreas Kreiter in seinem Labor an der Uni Bremen im Jahr 1998 Foto: Ulrich Perrey/dpa

WIEN taz | Neurobiologe Andreas Kreiter darf in Bremen vorerst weiter an Affen forschen. In einem Beschluss im Rahmen eines Eilverfahrens hat das Bremer Verwaltungsgericht dem Wissenschaftler die Fortsetzung seiner Hirnexperimente mit Makaken erlaubt. Der Senat hatte ihm im November 2023 seinen Folge-Forschungsantrag „Raumzeitliche Dynamik kognitiver Prozesse des Säugetiergehirns“ nicht wiedergenehmigt, Kreiter hatte dagegen Widerspruch eingelegt.

Der Hirnforscher arbeitet bereits seit 1998 an der Uni Bremen mit Makaken. Er betreibt Grundlagenforschung zur Weitergabe von neuronalen Signalen und beobachtet dafür, was in den Makakengehirnen passiert, während sie in Experimenten Reaktionsaufgaben erfüllen. Ebenso lange gibt es Kritik von Tierschützer*innen. Sie wenden sich gegen die Haltung der Tiere, die meist nur während der Experimente trinken können und gegen die Schädeloperation, bei denen den Versuchstieren eine Kunststoffkappe mit Messsonden auf dem Knochen fixiert wird.

Der Bremer Senat hatte mehrfach versucht, die Versuche zu stoppen – vergeblich. Der aktuelle Beschluss des Verwaltungsgerichts ist die siebte Gerichtsentscheidung seit 2008 gegen den Senat und zugunsten von Kreiter. Zuletzt hatte die zuständige Gesundheitsbehörde bei ihrer Ablehnung des Forschungsantrags argumentiert, dass auch in der Grundlagenforschung ein „klinischer Anwendungsnutzen des zu erwartenden Erkenntnisgewinns in zeitlicher Nähe wahrscheinlich“ sein müsse.

Grundlagenforschung muss nicht unmittelbar anwendbar sein

Geradezu vernichtend ist in dem jetzigen Gerichtsentscheid die Bewertung der vom Senat eingeholten Gutachten. Auf das Thema der Grundlagenforschung, auf die sich Kreiters Antrag beruft, sei der Senat nicht eingegangen. „Es liegt in der Eigenart der Grundlagenforschung“, doziert das Gericht „dass ein mehr oder weniger abstrakt bleibender Nutzen sich vorweg nicht konkret ausmachen lässt.“

„Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin“, schreibt das Gericht, „ist bei der Grundlagenforschung […] nicht zu fordern, dass für die Rechtfertigung eines Tierversuchs ein klinischer Anwendungsnutzen des zu erwartenden Erkenntnisgewinns in zeitlicher Nähe wahrscheinlich ist.“ Auch müsse nicht nachgewiesen werden, dass die Forschungsergebnisse Eingang in klinische Studien oder gar Therapien gefunden habe.

Stattdessen berufe sich der Senat auf die Meinung der Bevölkerung, also sozusagen das gesunde Volksempfinden. Statistische Meinungsumfragen aber könnten für die rechtsstaatliche Abwägung zwischen Tierschutz und Wissenschaftsfreiheit kein Kriterium sein, so das Gericht.

Gutachter wird als nicht objektiv bewertet

Zu einer der vom Senat vorgelegten Expertisen meint das Gericht, „das Gutachten genügt nicht den Standards, die von einem behördlichen Sachverständigengutachten zu erwarten sind.“ Der Gutachter verfüge nicht über die erforderliche „Unvoreingenommenheit und Objektivität“: „Zur Erforschung des Sachverhaltes durch das Gericht (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist das Gutachten in Gänze ungeeignet.“

Mit einem weiteren Gutachten hatte der Senat seine Landesbeauftragte Sybille Wenzel, die Leiterin der senatorischen Stabsstelle für den Tierschutz, beauftragt. Grundsätzlich zweifelhaft, findet das Gericht, und stellt zudem fest: „Dem Gutachten der Landestierschutzbeauftragten lässt sich nicht in nachvollziehbarer Weise entnehmen“, ob ihre Argumentationen „dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse bei der Ermittlung der Belastung von Versuchstieren entsprechen.“ Der Bremer Senat hatte der taz im Vorfeld den Blick in die Gutachten verweigert.

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