Trinkkur in Karlovy Vary: Einmal Beton mit Eis

Wer in Karlovy Vary keinen Becherovka getrunken hat, war umsonst dort. Denn wer glaubt, die Trinkkur beschränkt sich aufs Heilwasser, liegt daneben.

Die Svoboda-Quelle in Karlsbad, daneben ein flaschenförmiger Becherovka-Stand zu sehen.

Heilwasser oder Likör? In Karlovy Vary findest man beides Foto: Petr Svancara/imago

BERLIN taz | Sie waren alle hier: Karl Marx, Peter der Große, die russischen Schriftsteller Gogol, Tolstoi und Dostojewski, Schiller, Fontane und Beethoven. Auch Leonardo DiCaprio, Robert Redford und Robert De Niro. Sie alle hat es irgendwann mal nach Karlovy Vary verschlagen, in dieses legendäre Kurbad im Westen Tschechiens. Okay, die Schauspieler interessierten sich eher für das Filmfestival, das seit den 1940ern jedes Jahr Anfang Juli dort stattfindet. Aber all die anderen kamen für eine Trinkkur her.

Und die geht so: Man schlürft aus einer speziellen Schnabeltasse heißes Wasser, das man aus einer der 12 Quellen mit trinkbarem Wasser zapft. Das soll man drei Mal täglich eine halbe Stunde vor dem Essen tun, dann wird alles gut. Denn das Karlsbadwasser soll gegen alles helfen: Durchfall, Verstopfung, Übergewicht, Untergewicht, Gicht, Osteoporose, Lebererkrankungen.

Evidenzbasiert ist das, glaube ich, nicht, Marx und Schiller sind jedenfalls tot, auch Robert De Niro wurde schon lange nicht mehr gesehen. Aber was ist schon gegen eine Legende zu sagen – und die führt heute zu einem Stadtbild, das es nur in Karlovy Vary gibt: Menschenmassen schlendern durch die Puppenstubengassen, tragen die Schnabeltassen wie eine Trophäe vor sich her und nehmen daraus hin und wieder andächtig einen Schluck Heilwasser. Ich kann dazu nicht viel sagen, ich habe es nicht ausprobiert. Meine Trinkkur in Karlovy Vary sah anders aus: Ich habe Becherovka getrunken.

Eine Becherovka-Trinkkur ist ganz einfach

Becherovka ist ein Kräuterlikör, den man nirgend woanders trinken kann als in Karlovy Vary. Weil er nur am Ort seiner Erfindung schmeckt, wie er schmecken muss. So wie man Pisco besser in Peru und Chile trinkt, dort ist das Traubenmostdestillat das alkoholisches Nationalgetränk. So wie Angkor-Bier nur am Strand von Sihanoukville in Kambodscha richtig rüberkommt. Und so wie Poncha ausschließlich auf Madeira richtig gequirlt wird.

Meine Empfehlung für eine Becherovka-Trinkkur ist ganz einfach: Unmittelbar nach Ankunft in der Stadt sucht man sich einen Späti, kauft ein kleines Fläschchen, knackt den Verschluss und trinkt es direkt vor dem Laden mit einem Ruck aus. Der Becherovka läuft kräuterig-süß direkt in den Magen und spült so – zack, zack – Wärme in den Körper. Fühlt sich gesund an und kommt komplett ohne Zusatzgeräte aus. Die Schnabeltassenindustrie jedenfalls geht bei meiner Becherovka-Trinkkur nicht zugrunde, manche der Schnabeltassen kosten 80 Euro. Dass die aber sonst zu nichts nütze sind, zeigen die üppigen Tassenofferten bei ebay.

Aber zurück zum Becherovka. Der ist eher zufällig entstanden. Ich spare mir jetzt den ganzen historischen Schmus um den Becherovka, von dem Karlovy Vary voll ist. Nur so viel: Der Apotheker Josef Vitus Becher wollte eine Verdauungsmedizin aus vielen Kräutern brauen, die aber offenbar damals schon so köstlich war, dass daraus ein Schnaps geworden ist. Nun könnte man sagen, irgendwie ist jeder Schnaps auch ein bisschen Medizin, aber dann kriege ich bestimmt Ärger mit dem Gesundheitsminister.

Wie gut Becherovka heute funktioniert, zeigt allein die Karte der 20 Becherovka-Mixgetränke: Da gibt es Becherinha, eine Caipirinha-Variante mit Becherovka, den Czech Mule mit Ginger Beer und Becherovka, B-Old Fashioned und Becher’s Negroni, die Barlegenden, nur eben mit Becherovka. Ist alles ganz wunderbar. Aber der Klassiker ist und bleibt Beton – Becherovka Tonic. Geht immer und ist im Handumdrehen gemixt: Becherovka und Tonic ins Glas, Eiswürfel drauf, Zitronenscheibe dazu – fertig ist die Laube.

Wer Beton nicht probiert hat, war umsonst in Karlovy Vary.

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Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.

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