Amtseinführung von Wladimir Putin: EU uneins über Teilnahme

Putin tritt seine fünfte Amtszeit als russischer Präsident an. Die USA, Deutschland und die EU schicken keinen Vertreter. Frankreich und Ungarn schon.

Mehrere Menschen stehen vor einer goldenen Tür, auf dem Boden liegt ein roter Teppich

Die Vorbereitungen zur Amtseinführung Putins laufen auf Hochtouren Foto: putnik/Sergei Bobylev/Kremlin via reuters

WASHINGTON/BRÜSSEL/BERLIN afp/dpa/taz | Innerhalb der EU gibt es erhebliche Differenzen über den richtigen Umgang mit Einladungen zur Zeremonie zum Start der fünften Amtszeit von Russlands Präsident Wladimir Putin. Wie mehrere EU-Diplomaten in Brüssel sagten, wollen Länder wie Frankreich, Ungarn und die Slowakei Vertreter zur Vereidigung Putins schicken, um Gesprächskanäle offenzuhalten. Deutschland und zahlreiche andere EU-Staaten halten eine Teilnahme jedoch insbesondere angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine für unangemessen. „Deutschland wird an diesem Termin nicht teilnehmen“, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts.

Im Fall der Bundesrepublik kommt hinzu, dass die Regierung den deutschen Botschafter in Moskau, Alexander Graf Lambsdorff, nach Cyberangriffen auf die SPD und deutsche Unternehmen für eine Woche zu Konsultationen nach Berlin zurückgerufen hat. Die Bundesregierung macht für die Attacken eine Einheit des russischen Militärgeheimdienstes verantwortlich.

Wie die meisten Botschafter der EU-Mitgliedstaaten wird auch der offizielle Vertreter der Europäischen Union in Moskau am Dienstag bei der Zeremonie nicht vertreten sein, wie ein Sprecher des Europäischen Auswärtigen Dienstes in Brüssel sagte. Der Außenbeauftragte Josep Borrell hatte sich zuvor gegen die Teilnahme der EU an der Veranstaltung ausgesprochen. Nach Angaben von Diplomaten gab es allerdings auch Gegenstimmen. Dies sollen unter anderem davor gewarnt haben, dass ein Fernbleiben bei der Zeremonie Russland einen Vorwand geben könnte, künftig noch mehr diplomatische Regeln und Normen zu ignorieren.

Auch die USA werden nach eigenen Angaben keinen Vertreter zur erneuten Amtseinführung Putins am Dienstag schicken. „Wir werden keinen Vertreter bei seiner Amtseinführung haben“, sagte US-Außenamtssprecher Matthew Miller am Montag. Auf die Frage, ob der Schritt bedeute, dass die USA Putin als illegitim betrachteten, sagte Miller: „Wir haben diese Wahl sicherlich nicht als frei und fair angesehen, aber er ist der Präsident Russlands und er wird dieses Amt weiterhin ausüben.“

Scharfe Kritik am Ablauf der Wahl

Putin trat am Dienstag offiziell seine fünfte Amtszeit als Präsident Russlands an. Der 71-Jährige wurde bei einer Zeremonie im Kreml in Moskau vereidigt. An der Spitze Russlands zu stehen sei eine „heilige Pflicht“, sagte er. „Gemeinsam werden wir obsiegen“, fügte Putin hinzu. Russland werde „gestärkt“ hervorgehen aus „dieser schwierigen Zeit“ Seit der Jahrtausendwende ist Putin Präsident oder Ministerpräsident. Im März hatte die Wahlkommission erklärt, Putin sei mit 87,28 Prozent der Stimmen für eine fünfte Amtszeit gewählt worden. Bei der Wahl hatte es keine richtige Opposition gegeben, die EU hatte am Ablauf scharfe Kritik geübt.

In einer Erklärung hieß es, die russische Wählerschaft habe nur sehr beschränkten Zugang zu faktischen Informationen und „keine echte Wahl“ gehabt. Grund dafür sei unter anderem gewesen, dass zahlreiche Kandidatinnen und Kandidaten ausgeschlossen worden sein – darunter auch all jene, die sich gegen den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ausgesprochen hätten.

Am Tag nach der Amtseinführung ist ein Gipfel der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) – eines losen Staatenbunds mehrerer ehemaliger Sowjetrepubliken – geplant. Am Donnerstag folgt dann die Parade zum Tag des Sieges über das faschistische Deutschland im Zweiten Weltkrieg.

Für Staatsgäste hat Moskau aber vorgesorgt. Neben den Präsidenten der Ex-Sowjetrepubliken Belarus, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Turkmenistan seien auch die Staatsoberhäupter von Kuba, Guinea-Bissau und Laos eingeladen worden, sagte Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow der russischen Agenturen zufolge am Montag. Mit der Militärparade will Moskau einerseits militärische Potenz demonstrieren, andererseits auch verdeutlichen, international nicht isoliert zu sein.

Nach der Parade am Donnerstag sei eine Kranzniederlegung am Ewigen Feuer und dem Grab des Unbekannten Soldaten an der Kremlmauer geplant. „Danach verlassen die Staatschefs der GUS Moskau, während unser Präsident zunächst Verhandlungen mit dem Präsidenten Kubas und anschließend mit den Präsidenten von Laos und Guinea-Bissaus führt“, teilte Uschakow mit.

Moskau kündigt Übung der Nuklearstreitkräfte an

Putin hat nach Äußerungen führender westlicher Politiker über den möglichen Einsatz von Soldaten in der Ukraine Manöver mit Atomwaffen angeordnet. Damit werde auf eine Stellungnahme des französischen Präsidenten Emmanuel Macron reagiert, der nicht ausgeschlossen habe, Truppen zu entsenden, sagte der russische Regierungssprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau. Während die französische Regierung die Darstellung zurückwies, betonten Kanzler Olaf Scholz und die baltischen Ministerpräsidentinnen, man werde sich von der Drohung nicht beeindrucken lassen.

Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte am Abend zu dem Manöver, die „Hitzköpfe in westlichen Hauptstädten“ würden sich nun hoffentlich abkühlen. „Sie lenken die Situation bewusst in Richtung einer weiteren Eskalation der Ukraine-Krise hin zu einer offenen militärischen Auseinandersetzung zwischen den Nato-Ländern und Russland“, hieß es weiter.

Das Ministerium hatte als Ziel der Übung „den Einsatz von taktischen Atomwaffen“ genannt. Raketenverbände des südlichen Militärbezirks und Seestreitkräfte würden teilnehmen. Ziel sei es, die territoriale Integrität Russlands „als Reaktion auf die provokativen Äußerungen und Drohungen einiger westlicher Offizieller gegen die Russische Föderation“ zu gewährleisten.

Auch britische Politiker und Abgeordnete des US-Repräsentantenhauses hätten sich ähnlich geäußert, teilte die russische Regierung mit. Die russischen Geheimdienste würden zudem Berichten nachgehen, nach denen französische Fremdenlegionäre in die Ukraine verlegt würden.

Kanzler Scholz warnt vor Einsatz nuklearer Waffen

Frankreich wies diese Darstellung entschieden zurück. „NEIN, Frankreich hat keine Truppen in die Ukraine geschickt“, schrieb das Außenministerium auf X. Die Desinformationskampagnen ließen nicht nach, hieß es weiter. Präsident Emmanuel Macron traf sich in Paris mit seinem chinesischen Kollegen Xi Jinping. Zusammen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen rief er den Gast auf, seinen Einfluss auf Russland zu nutzen, um den Krieg in der Ukraine zu beenden.

Scholz sagte im lettischen Riga, es sei immer wieder wichtig, „laut zu sagen, dass in diesem Krieg nuklearer Waffen nicht eingesetzt werden dürfen“. Er verwies darauf, dass es solche Mahnungen auch aus China an die russische Adresse gebe. Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas sagte, man dürfe sich nicht beeindrucken lassen. Es sei Methode Russlands, Angst verbreiten zu wollen. „Deswegen sollten wir dem auch nicht nachgeben“, sagte sie nach dem Treffen mit Scholz. Zugleich sagte sie mit Blick auf Russland: „Können wir sicher sagen, dass sie Waffen nie einsetzen werden? Nein, sie haben ja schon in der Vergangenheit alle möglichen verrückten Dinge getan.“

Die lettische Ministerpräsidentin Evika Silina warf Russland vor, mit der Drohung verhindern zu wollen, dass die geplante Friedenskonferenz für die Ukraine im Juni in der Schweiz stattfinden könne. „Sie versuchen, Länder zu bedrohen, die sich vielleicht überlegen, ob sie an diesem Gipfel teilnehmen wollen“, sagte Silina. Die Antwort könne nur eine noch engere Zusammenarbeit in der Nato und der EU sowie die Hilfe für die Ukraine sein.

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